Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 936 — »Christbrod« genannt, in die lieblich duftende starke Chocolade, bis er von dem aromatischen Saft vollkommen durchzogen war. »Herr Vollbrecht getraut sich, ihre unglücklichen Ältern bezeichnen zu können.« »Sehr wohl. Wo hat man die Leichen hingeschafft?« »Sie liegen im Schuppen – eine ganze Hand voll Leichen! Befehlen Sie, daß man die armen Kinder Ihnen zeige?« »Behüte!« sagte Adrian sehr fein lächelnd. »Ich bin nicht neugierig, und da ich vom Leichenbeschauen wenig verstehe, so überlasse ich die genauere Besichtigung dem Fabrikarzte. Es war unklug von den Ältern, die Kinder in so stürmischer Nacht im Freien herumlaufen zu lassen. Wahrscheinlich sollten sie betteln oder stehlen und da hat sie der Finger Gottes berührt.« »Sie scheinen nicht erfroren zu sein,« wagte der Kammerdiener schüchtern zu bemerken. »Nicht? Dann ist wohl gar eine Gewaltthat, ein Verbrechen begangen worden?« versetzte mit erkünstelter Theilnahme der Herr am Stein. »Ich will, daß man die Verunglückten genau untersuche, und wenn sich nur die geringsten Spuren eines verübten Verbrechens zeigen, ihre Ältern sogleich gefänglich einziehe!« »Mit schuldigem Respect, gnädiger Herr, bringe ich Ihnen meinen Glückwunsch zum neuen Jahre,« sagte Vollbrecht, der während dem eingetreten war und die letzten Worte des Grafen noch gehört hatte. »Möge

— 937 — Gott ihre Gesundheit von neuem kräftigen und Ihnen in jeder Hinsicht gnädig sein!« »Ich danke, mein Lieber! Doch lassen wir die Phrasen – ich gebe wenig darauf. Nun was sagen Sie zu der seltsamen Neujahrbescherung?« »Sie hat mich nicht überrascht, Herr am Stein! Verwundert aber bin ich, daß sie so still, so ganz ohne ein Zeichen laut jammernder Verzweiflung vorübergegangen ist!« Adrian gedachte des gellenden Nothschreis in der Nacht und konnte sich jetzt das Markerschütternde desselben erklären. Dennoch stellte er sich mit consequenter Frechheit unwissend, wie ein neugeborenes Kind. »Mein lieber Vollbrecht,« versetzte er, seine stark vergoldete große Tasse von Meißner Porzellan auf’s neue mit Chocolade füllend, »man erfriert meines Wissens ganz in der Stille. Die Ärzte behaupten, es sei ein angenehmer, schmerzloser Tod.« »Die fünf Kinder, von denen hier die Rede ist, sind nicht erfroren,« sagte Vollbrecht finster. »Also doch nicht erfroren? Also mit Gewalt, mit Willen getödtet?« »So ist es, Herr am Stein.« »Und wer sind die Thäter? Ohne Zweifel diese Feiglinge von Ältern, denen es unmöglich dünkt, sich aus Rücksicht und Liebe für ihre Kinder ein wenig zu beschränken! Ich will sie kennen!«

— 937 —<br />

Gott ihre Gesundheit von neuem kräftigen und Ihnen<br />

in jeder Hinsicht gnädig sein!«<br />

»Ich danke, mein Lieber! Doch lassen wir die Phrasen<br />

– ich gebe wenig darauf. Nun was sagen Sie zu der<br />

seltsamen Neujahrbescherung?«<br />

»Sie hat mich nicht überrascht, Herr am Stein! Verwundert<br />

aber bin ich, daß sie so still, so ganz ohne ein<br />

Zeichen laut jammernder Verzweiflung vorübergegangen<br />

ist!«<br />

Adrian gedachte <strong>des</strong> gellenden Nothschreis in der<br />

Nacht und konnte sich jetzt das Markerschütternde<br />

<strong>des</strong>selben erklären. Dennoch stellte er sich mit consequenter<br />

Frechheit unwissend, wie ein neugeborenes<br />

Kind.<br />

»Mein lieber Vollbrecht,« versetzte er, seine stark vergoldete<br />

große Tasse von Meißner Porzellan auf’s neue<br />

mit Chocolade füllend, »man erfriert meines Wissens<br />

ganz in der Stille. <strong>Die</strong> Ärzte behaupten, es sei ein angenehmer,<br />

schmerzloser Tod.«<br />

»<strong>Die</strong> fünf Kinder, von denen hier die Rede ist, sind<br />

nicht erfroren,« sagte Vollbrecht finster.<br />

»Also doch nicht erfroren? Also mit Gewalt, mit Willen<br />

getödtet?«<br />

»So ist es, Herr am Stein.«<br />

»Und wer sind die Thäter? Ohne Zweifel diese Feiglinge<br />

von Ältern, denen es unmöglich dünkt, sich aus<br />

Rücksicht und Liebe für ihre Kinder ein wenig zu beschränken!<br />

Ich will sie kennen!«

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