Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 932 — Intensität auf seinen gemarterten Körper. Da entrang sich ein Angstschrei der gefolterten Seele und Adrian erwachte! – Fiebernd, in kaltem Schweiß gebadet, erhob er sich auf dem Lager, dem wimmernd verhallenden Tone lauschend, der von der Haide herüberschallte und an den gefrorenen Fenstern auszitterte. »Gott Lob,« sagte er tief aufathmend, »es war ein Traum! – Aber ich werde nicht mehr schlafen dürfen, denn immer häufiger wiederholen sich diese gräßlichen Träume. Das macht mein krankes Blut, meine Aufregung bei Tage, die vielen Verdrießlichkeiten, die mich verstimmen! – Wäre nur dieser Proceß zu Ende oder die Alten todt und – Martell! – Gewiß, dann würde ich schnell ganz wieder genesen, und Niemand könnte mich mehr anfeinden, denn Aurel fürchte ich nicht. – Und Herta ist ein armes, schwaches, bejahrtes Weib! Sie ist froh, wenn sie ungestört auf den Tod sich vorbereiten kann! – Segne meine Pläne, o Gott, und laß sie mich bald und vollkommen ausführen!« So sprechend hüllte sich Adrian wieder fester in die weichen Decken und schloß die Augen. Ein zweiter Schrei gleich dem ersten, dessen Wiederhall er nur vernommen hatte, erreichte sein Ohr. Nochmals richtete er sich unter Herzklopfen auf und öffnete weit die matten Augen. Der Sturm peitschte den Schnee an die Fenster, die Fabrikuhr verkündigte die erste Morgenstunde.

— 933 — »Es wird ein Betrunkener verunglückt sein im Sturmwetter,« sagte er sich beruhigend und legte sich zurück in die schwellenden Kissen. Ein dumpfer unerquicklicher Schlaf fiel auf den armen Reichen. Wir entfernen uns von seinem Lager und begleiten die hungernden Arbeiter auf ihrem traurigen Rückwege in’s Dorf. Die unglückliche Mutter, die Muth genug besessen hatte, ihr verhungertes Kind auf den eigenen Händen bis vor die Thür des Mannes zu tragen, von dem allein so namenloses Elend über Tausende gekommen war, lag jetzt noch ohnmächtig in den Armen der Spinner. Es war ein schlankes, im Anfange der Vierzig stehendes Weib, dessen eingefallene, von Kummer und Nahrungssorgen scharf und eckig gewordenen Züge die Überreste ursprünglicher Schönheit doch nicht ganz verwischen konnten. Weiches blondes Haar war in sehr starken Flechten an ihrem Hinterkopfe in einen starken Knoten geschlungen und jetzt von dem grau gewordenen und hin und wieder zerrissenen Regentuche bedeckt. Nur ein paar feine Locken stahlen sich über der Stirn aus der nonnenartigen Umhüllung hervor und fielen, vom Winde bewegt, in verworrenem Gefaser über das marmorkalte Antlitz der Bewußtlosen. Maja hatte in dieser Nacht ihr zweites Kind, ein Mädchen von sieben Jahren, begraben vor dem Palast des Tyrannen der Armen. Sie besaß jetzt nichts mehr, als

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»Es wird ein Betrunkener verunglückt sein im Sturmwetter,«<br />

sagte er sich beruhigend und legte sich zurück<br />

in die schwellenden Kissen.<br />

Ein dumpfer unerquicklicher Schlaf fiel auf den armen<br />

Reichen. Wir entfernen uns von seinem Lager und<br />

begleiten die hungernden Arbeiter auf ihrem traurigen<br />

Rückwege in’s Dorf.<br />

<strong>Die</strong> unglückliche Mutter, die Muth genug besessen<br />

hatte, ihr verhungertes Kind auf den eigenen Händen<br />

bis vor die Thür <strong>des</strong> Mannes zu tragen, von dem allein<br />

so namenloses Elend über Tausende gekommen war,<br />

lag jetzt noch ohnmächtig in den Armen der Spinner.<br />

Es war ein schlankes, im Anfange der Vierzig stehen<strong>des</strong><br />

Weib, <strong>des</strong>sen eingefallene, von Kummer und Nahrungssorgen<br />

scharf und eckig gewordenen Züge die<br />

Überreste ursprünglicher Schönheit doch nicht ganz<br />

verwischen konnten. Weiches blon<strong>des</strong> Haar war in sehr<br />

starken Flechten an ihrem Hinterkopfe in einen starken<br />

Knoten geschlungen und jetzt von dem grau gewordenen<br />

und hin und wieder zerrissenen Regentuche<br />

bedeckt. Nur ein paar feine Locken stahlen sich<br />

über der Stirn aus der nonnenartigen Umhüllung hervor<br />

und fielen, vom Winde bewegt, in verworrenem<br />

Gefaser über das marmorkalte Antlitz der Bewußtlosen.<br />

Maja hatte in dieser Nacht ihr zweites Kind, ein Mädchen<br />

von sieben Jahren, begraben vor dem Palast <strong>des</strong><br />

Tyrannen der Armen. Sie besaß jetzt nichts mehr, als

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