Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
— 896 — darüber dermaßen, daß ihm buchstäblich der Mund offen stehen blieb und keinerlei Antwort über seine Lippen kam. Er begnügte sich, ein paar tiefe Athemzüge stöhnend von sich zu blasen, schob dann seine Rockschöße zurück, legte beide Hände auf den Knopf seines langen Stockes und blieb kerzengerade, die lächelnden halbgeschlossenen Augen unverwandt auf die gealterte vornehme Dame gerichtet, vor ihr sitzen. Zu sehr beschäftigt mit den Offenbarungen Herta’s, wollte es Aurel nicht recht gelingen, den heitern, unbefangenen Umgangston wiederzufinden, der ihm doch von Natur so eigen war und ihn so liebenswürdig machte. Häufig vergaß er, auf die Antworten zu hören, die seine Fragen hervorriefen, und so kam eine Art Mißstimmung in die Gesellschaft, die sich Niemand recht erklären konnte und die doch Jedem schüchterne Zurückhaltung wider Willen zur Pflicht machte. Alle fühlten sich erst wieder frei und ungezwungen, als man sich trennte. Aber auch auf seinem Zimmer fand Aurel keine Ruhe. Er mußte immer wieder an den ermordeten Vater Herta’s, an den verschwundenen Johannes denken, und wie sehr sich sein Wille auch dagegen sträubte, in seinem ahnenden Herzen vernahm er Laute, die ihn erschütterten und an die er doch schaudernd glauben mußte. Nach einigem Schwanken entschloß er sich zu einem ungewöhnlichen Schritte, den er jedoch in seiner Lage rechtfertigen zu können glaubte. Er ergriff
— 897 — das Licht, schritt geräuschlos den Corridor entlang und klopfte an das Zimmer Elwirens. Ein sanftes »Herein« von den Lippen des achtlosen Mädchens, die eine Dienerin erwarten mochte, ermuthigte ihn und verhieß ihm Glück. Er fand beide Mädchen vor dem Trumeau, beschäftigt, sich die vollen Locken ihrer schönen Haare aufzuwickeln. Erröthend schraken sie auf beim Eintritt des Grafen. »Tausend Pardons!« sagte Aurel mit seinem gewinnenden anmuthigen Lächeln. »Pflicht und Theilnahme veranlassen mich, so rücksichtslos gegen alle Sitte zu verstoßen und mich in Ihre Schlafzimmer zu drängen. Einem ausgewetterten Seemanne, schöne Kinder, müssen Sie dergleichen Extravaganzen schon zu Gute halten. Gewöhnt an das ungenirte Wesen und die oft allzu zutraulichen Gunstbezeigungen von Sturm und Wogen, kann ich der beliebten Kürze nicht entsagen, wo vielleicht weite Umwege und schmeichelnde Galanterien zu gleichem Ziele führen würden und den Beweis guter Erziehung abgäben. Mein Herz, mein Charakter wissen von diesen beengenden Formen nichts; und da Sie mir schon einmal vertraut haben, glaube ich auch jetzt noch derselben Gunst in Ihren Augen theilhaftig geblieben zu sein. Liebe Bianca, ich möchte Ihrer schönen Begleiterin ein kleines Geheimniß verrathen. Alle Mädchen sind wißbegierig; ich rechne Sie mit Ihren dunkeln Augen nicht zu den Ausnahmen, und da ich
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zurück, legte beide Hände auf den Knopf seines<br />
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wollte es Aurel nicht recht gelingen, den heitern, unbefangenen<br />
Umgangston wiederzufinden, der ihm doch<br />
von Natur so eigen war und ihn so liebenswürdig<br />
machte. Häufig vergaß er, auf die Antworten zu hören,<br />
die seine Fragen hervorriefen, und so kam eine<br />
Art Mißstimmung in die Gesellschaft, die sich Niemand<br />
recht erklären konnte und die doch Jedem schüchterne<br />
Zurückhaltung wider Willen zur Pflicht machte. Alle<br />
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man sich trennte.<br />
Aber auch auf seinem Zimmer fand Aurel keine Ruhe.<br />
Er mußte immer wieder an den ermordeten Vater<br />
Herta’s, an den verschwundenen Johannes denken,<br />
und wie sehr sich sein Wille auch dagegen sträubte,<br />
in seinem ahnenden Herzen vernahm er Laute, die ihn<br />
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