Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 890 — »Meine späteren Schicksale lassen sich in wenigen Worten charakterisiren,« sagte Herta. »Als sich mein Herz still in sich verblutet hatte, verließ ich mit meiner treuen Emma, die sich durchaus nicht von mir trennen wollte, die Haide, indem ich einem der freundlichen Nachbarn das Besitzthum meines Vaters in Pacht gab. Von dem Ertrage dieses Pachtes lebte ich zurückgezogen in einem kleinen Landstädtchen als Wittwe. Für die Welt war ich todt, wollte ich todt sein. Sie hatte mir, ich ihr nichts mehr zu bieten. Zehn Jahre und darüber traf mich kein neues Leid, erst die Unterjochung Deutschlands durch Napoleon, wobei mein Haidebauergut abbrannte und mir verloren ging, stürzte mich in ein Elend, das ich bis dahin noch nicht gekannt hatte. Ich verarmte, verarmte so gänzlich, daß Emma mehrmals für mich bitten ging! »Nur die größte Sparsamkeit und unsäglicher Fleiß retteten uns Beide vom Hungertode. Um mehr zu verdienen, übersiedelte ich mich endlich nach Leipzig. Wie ich dort lebte, wie sich Emma entschloß, die Wahrsagerin zu spielen, weil sie es nicht mehr ertragen konnte, mich an dem Nöthigsten Mangel leiden zu sehen, das habe ich Ihnen schon unterwegs mitgetheilt. Und so stünde ich denn nunmehr am Ende eines vielbewegten, traurigen und dennoch nicht ohne allen Segen gebliebenen Lebens. Wäre mir nur vor meinem Tode auch vergönnt, klar in all’ die Dunkelheiten zu

— 891 — schauen, die es zum Theil noch erfüllen und meinen Geist nicht selten tief darnieder beugen!« Unter lautem Schellengeläut fuhr jetzt ein Schlitten in den Hof, der Kutscher knallte heftig, die Hunde schlugen an. »Es kommt noch Besuch,« sagte der Maulwurffänger. »Wäre doch ein hellsehender Geist mit darunter, der mit klarem Blick das lügenhafte Gewebe unserer Feinde durchschaute und sagen könnte: hier packt an und zerreißt es, so findet Ihr, was Ihr begehrt!« »Klütken-Hannes!« murmelte Aurel dumpf vor sich hin. »Es wäre entsetzlich!« Der Bediente meldete dem Grafen, daß so eben ein Herr und zwei Damen angekommen wären und ihn zu sprechen wünschten. Aurel beurlaubte sich, trat in’s Nebenzimmer und – stand Elwire und Bianca gegenüber. Ihr Begleiter war der alte gutmüthige pedantische Schulmeister Gregor, der ehrliche Bruder des Maulwurffängers. 45. FINGERZEIGE. Wir haben die beiden eben genannten Ankömmlinge so lange aus dem Gesicht verloren, daß es jetzt höchste Zeit ist, die Aufmerksamkeit unserer Leser wieder auf sie zu lenken. Die Ergebnisse, welche Aurel’s Besuch in der Mohrentaverne gehabt und seine unmittelbar darauf folgende eilige Abreise hatten ihm keine Zeit vergönnt,

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»Meine späteren Schicksale lassen sich in wenigen<br />

Worten charakterisiren,« sagte Herta. »Als sich mein<br />

Herz still in sich verblutet hatte, verließ ich mit meiner<br />

treuen Emma, die sich durchaus nicht von mir trennen<br />

wollte, die Haide, indem ich einem der freundlichen<br />

Nachbarn das Besitzthum meines Vaters in Pacht gab.<br />

Von dem Ertrage dieses Pachtes lebte ich zurückgezogen<br />

in einem kleinen Landstädtchen als Wittwe. Für<br />

die Welt war ich todt, wollte ich todt sein. Sie hatte<br />

mir, ich ihr nichts mehr zu bieten. Zehn Jahre und darüber<br />

traf mich kein neues Leid, erst die Unterjochung<br />

Deutschlands durch Napoleon, wobei mein Haidebauergut<br />

abbrannte und mir verloren ging, stürzte mich in<br />

ein Elend, das ich bis dahin noch nicht gekannt hatte.<br />

Ich verarmte, verarmte so gänzlich, daß Emma mehrmals<br />

für mich bitten ging!<br />

»Nur die größte Sparsamkeit und unsäglicher Fleiß<br />

retteten uns Beide vom Hungertode. Um mehr zu verdienen,<br />

übersiedelte ich mich endlich nach Leipzig.<br />

Wie ich dort lebte, wie sich Emma entschloß, die Wahrsagerin<br />

zu spielen, weil sie es nicht mehr ertragen<br />

konnte, mich an dem Nöthigsten Mangel leiden zu sehen,<br />

das habe ich Ihnen schon unterwegs mitgetheilt.<br />

Und so stünde ich denn nunmehr am Ende eines vielbewegten,<br />

traurigen und dennoch nicht ohne allen Segen<br />

gebliebenen Lebens. Wäre mir nur vor meinem<br />

Tode auch vergönnt, klar in all’ die Dunkelheiten zu

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