Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
— 880 — ganze Nächte hindurch bei einem Köhler übernachtete, oder in warmen Sommernächten unter freiem Himmel den jungen Tag erwartete. Eine sonderbare Unruhe, die ihn nie ganz verließ, schien ihn von Zeit zu Zeit in solchen einsamen Nachtspaziergängen im finstern Walde zu nöthigen. Darum ließ ich auch diesmal Mitternacht herankommen, als aber immer noch kein Laut aus der Ferne hörbar ward, der Nebel immer dichter und feuchter wurde und ich für die Gesundheit meines Knaben fürchten mußte, brachen unaufgefordert die Nachbarn mit Laternen und Kienfackeln auf, um zuvörderst die Beutestände mit ihren Umgebungen zu durchsuchen und sodann bei den nächsten Köhlerwohnungen einzusprechen. »In der zweiten Nachtstunde kamen die Suchenden zurück. Ich hörte von weitem ihre Stimmen, die Angst der Mutter trieb mich an’s Fenster. Der Nebel war dünner, durchsichtiger geworden und verschwebte um Moorsumpf und hohe Föhrenkronen, die mittlere Luftschicht frei lassend von jeglichem Dunst. Da sah ich die Männer mit ihren Laternen und Kienbränden über die Wiese schreiten nach der waldbeschirmten Hinterseite des Hauses, ich sah, daß zwei von ihnen etwas Unbewegliches auf Tannenzweigen trugen! – Mein Herz stand still, ich fühlte mich einer Ohnmacht nahe. Doch raffte ich mich zusammen. Die Angst gab mir Kräfte –
— 881 — auf Emma’s Arm gestützt, eilte ich an die Thür und erwartete bleich, athemlos, einer Bildsäule ähnlich, die Ankunft der Männer. »Sie traten aus dem finstern Dickicht: das knisternde Licht der Kienfackeln fiel röthlich und fahl auf eine kunstlose Tragbahre, auf welcher der blutige Leichnam eines Mannes ausgestreckt lag. Ich erkannte schaudernd meinen Vater! – ›Und Johannes, Johannes, mein Sohn!‹ schrie ich, händeringend an der Bahre niederstürzend. – ›Wir haben keine Spur von ihm gesehen!‹ lautete die dumpfe einstimmige Antwort der erschütterten Männer. »Johannes war unstreitig meuchelmörderisch erschlagen worden. Eine klaffende Wunde am Hinterkopfe deutete auf feigen, verruchten Überfall. Sie schien von einer Art herzurühren. Mehrere minder tiefe und kaum unmittelbar tödtliche Wunden im Gesicht und auf der Brust sprachen deutlich für den festen Entschluß des Thäters, den Unglücklichen tödten zu wollen. »Eine spätere genauere Besichtigung des Ortes, wo die That wahrscheinlich in den ersten Nachmittagsstunden geschehen war, führte zu mancherlei Vermuthungen, aber durchaus zu keiner Gewißheit. Man fand den Ermordeten kaum zwanzig Schritte von seinem Beuteplatze. Weitere zwanzig Schritte jenseits des ihm zugehörenden Reviers steckte seine eigene Zeidelaxt fest in dem schlanken Stamme einer jungen Fichte auf
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auf Emma’s Arm gestützt, eilte ich an die Thür und erwartete<br />
bleich, athemlos, einer Bildsäule ähnlich, die<br />
Ankunft der Männer.<br />
»Sie traten aus dem finstern Dickicht: das knisternde<br />
Licht der Kienfackeln fiel röthlich und fahl auf eine<br />
kunstlose Tragbahre, auf welcher der blutige Leichnam<br />
eines Mannes ausgestreckt lag. Ich erkannte schaudernd<br />
meinen Vater! – ›Und Johannes, Johannes, mein<br />
Sohn!‹ schrie ich, händeringend an der Bahre niederstürzend.<br />
– ›Wir haben keine Spur von ihm gesehen!‹<br />
lautete die dumpfe einstimmige Antwort der erschütterten<br />
Männer.<br />
»Johannes war unstreitig meuchelmörderisch erschlagen<br />
worden. Eine klaffende Wunde am Hinterkopfe<br />
deutete auf feigen, verruchten Überfall. Sie schien<br />
von einer Art herzurühren. Mehrere minder tiefe<br />
und kaum unmittelbar tödtliche Wunden im Gesicht<br />
und auf der Brust sprachen deutlich für den festen Entschluß<br />
<strong>des</strong> Thäters, den Unglücklichen tödten zu wollen.<br />
»Eine spätere genauere Besichtigung <strong>des</strong> Ortes, wo<br />
die That wahrscheinlich in den ersten Nachmittagsstunden<br />
geschehen war, führte zu mancherlei Vermuthungen,<br />
aber durchaus zu keiner Gewißheit. Man fand<br />
den Ermordeten kaum zwanzig Schritte von seinem<br />
Beuteplatze. Weitere zwanzig Schritte jenseits <strong>des</strong> ihm<br />
zugehörenden Reviers steckte seine eigene Zeidelaxt<br />
fest in dem schlanken Stamme einer jungen Fichte auf