Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
— 876 — hätten wir uns nicht auf mancherlei Weise nützlich und angenehm zu beschäftigen gewußt. Überdies unterhielt mich die eigenthümliche Poesie der Haide, auf deren Stimme zu lauschen ich nie müde ward. Kein Tag, ja keine Stunde verging, wo ich nicht ein neues Phänomen entdecken und bewundern konnte. Ich ward ein Kind der Natur und lebte mich so tief und innig ein in ihre wunderbaren Geheimnisse, daß mir Alles andere schaal dagegen erschien. Im nickenden Grase, im Spiel der Käfer und Insecten auf krauslockigen Moosen, in den phantastischen Schlachten der Wasserspinnen und Fliegen auf braunrothen Wassertümpeln in Moor und Sumpf; überall entdeckte ich ein Atom göttlichen Daseins ein heiliges Fortathmen der schaffenden und welterhaltenden Allmacht. Und Abends in herbstlicher Kühle, welch’ bezauberndes Schauspiel gewährte dann die ruhende Haide! Oft blau und klar wie eine kristallene Kuppel stieg das Himmelsgewölbe über der Waldung empor. Anfangs blieb Alles still und öde, bis der Goldrauch der Sonne am Rande der Kuppel verdampfte und dunklere Tinten, wie Nachtgedanken des Weltgeistes, an ihren glänzenden Ribben heraufliefen. Nun bewegten sich in regellosem Spiele die heimkehrenden Waldvögel, bald zitternd schwebend, bald in welligem Fluge auf- und abstürzend, bald im jähen Falle niedersinkend in die flüsternden Wipfel der zusammengeneigten Föhren, durch die dunkelnde,
— 877 — von blassem Sternenlicht neu sich entzündende Kuppel. Später glitten mit schwirrendem Echoschall breite Geschwader wandernder Staare über die Waldung, oder einzelne Störche ruderten schwerfällig mit lang gestrecktem Halse und klapperndem Schnabel durch die dunkle Luftfluth, oder ein Habicht kreiste wie ein von unsichtbarer Kraft bewegter Bohrer lange lange um sich selbst, bis er plötzlich gleich einer schwarzen Flamme niederschoß in den Wald – ein Schmerzensschrei hallte wieder in der Öde und die Stille des Todes breitete sich abermals über die schlummernde Waldung! Sie betete zu Nacht – dann rieselten silberne Lichtwellen über die nickenden schwarzen Föhrenhäupter, grauweiße Schleier sanken auf ihre Schultern und die ewige Lampe der Welt brannte still und mild im dunkeln Osten. »Ich fühlte mich glücklich in dieser hehren Abgeschiedenheit; ich vergaß mehr und mehr den erlittenen Kummer, das mir zugefügte Unrecht und ich zweifle nicht, daß mich ein fortgesetzter Aufenthalt in dieser waldigen Einöde mit der Zeit gänzlich den Menschen wieder versöhnt haben würde. Aber es scheint, als sei es Gottes Wille, die Kräfte seiner Geschöpfe und ihre Geduld bis zum äußersten Grad der Anspannung zu versuchen und in dieser Versuchung gleichsam die Probe auf sein Schöpfungsexempel zu machen. Wer in ihr erliegt, der ist vielleicht noch nicht würdig gewesen in wahrem Sinne sein Kind zu heißen, es sei denn, daß
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hätten wir uns nicht auf mancherlei Weise nützlich<br />
und angenehm zu beschäftigen gewußt. Überdies unterhielt<br />
mich die eigenthümliche Poesie der Haide, auf<br />
deren Stimme zu lauschen ich nie müde ward. Kein<br />
Tag, ja keine Stunde verging, wo ich nicht ein neues<br />
Phänomen entdecken und bewundern konnte. Ich<br />
ward ein Kind der Natur und lebte mich so tief und innig<br />
ein in ihre wunderbaren Geheimnisse, daß mir Alles<br />
andere schaal dagegen erschien. Im nickenden Grase,<br />
im Spiel der Käfer und Insecten auf krauslockigen<br />
Moosen, in den phantastischen Schlachten der Wasserspinnen<br />
und Fliegen auf braunrothen Wassertümpeln<br />
in Moor und Sumpf; überall entdeckte ich ein Atom<br />
göttlichen Daseins ein heiliges Fortathmen der schaffenden<br />
und welterhaltenden Allmacht. Und Abends<br />
in herbstlicher Kühle, welch’ bezaubern<strong>des</strong> Schauspiel<br />
gewährte dann die ruhende Haide! Oft blau und klar<br />
wie eine kristallene Kuppel stieg das Himmelsgewölbe<br />
über der Waldung empor. Anfangs blieb Alles still<br />
und öde, bis der Goldrauch der Sonne am Rande der<br />
Kuppel verdampfte und dunklere Tinten, wie Nachtgedanken<br />
<strong>des</strong> Weltgeistes, an ihren glänzenden Ribben<br />
heraufliefen. Nun bewegten sich in regellosem Spiele<br />
die heimkehrenden Waldvögel, bald zitternd schwebend,<br />
bald in welligem Fluge auf- und abstürzend, bald<br />
im jähen Falle niedersinkend in die flüsternden Wipfel<br />
der zusammengeneigten Föhren, durch die dunkelnde,