Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 866 — zusammenhängender Erzählung eine Skizze ihres Lebens seit ihrer gezwungenen Flucht von Boberstein den Freunden zu entwerfen. »Ich beginne von dem Augenblicke an, wo wir von einander schieden,« sprach Herta, indem sie ihre abgemagerte Hand dem neben ihr sitzenden Maulwurffänger reichte, als wolle sie ihm nach so langen Jahren nochmals für den ihr geleisteten Beistand und für die vielen Dienste und Gefälligkeiten, die er ihrer Freundin erwiesen hatte, Dank sagen. »Umgeben von den vielen Bewaffneten in Jägerkleidung, immer begleitet von dem häufig erstickenden Brandgeruch der Haide und überwölbt von einem trübroth flammenden Himmel, rollten wir in schlechter, schütternder Kalesche auf bald holprigen, bald tief in weichem Sande sich verlierenden Wegen dem verstecktesten Dickicht der Haide zu. Mein Vater rastete nur bei zerstreut liegenden Köhlerhütten, deren Bewohner staunend neben ihren knisternden und qualmenden Meilern standen und dem gespenstischen Zuge der finstern Rauchwolke nachsahen, die uns wie der mahnende Geist einer entsetzlichen That verfolgte. Überall bei diesen schlichten, ungebildeten, rohen, aber ehrlichen Leuten fand mein Vater zuvorkommende Aufnahme, sogar eine gewisse Ehrfurcht ward ihm erwiesen, und als er einmal auf eine an ihn gerichtete Frage mich gar seine Tochter nannte, trugen die guten Menschen das Allerbeste

— 867 — auf, was Küche und Keller bargen, und riefen uns tausend Segenswünsche bei unserm Aufbruche nach. Wehe mir, möchte ich noch jetzt sagen, daß sie sich nicht erfüllten, müßte ich nicht glauben, daß Gott mich zum Werkzeug seiner höheren Zwecke bestimmt und deßhalb durch so grausame und lange Läuterungen führend, tüchtig dazu hat machen wollen! »Nach dreitägigem allerdings meist langsamem Vordringen in dem unermeßlichen Waldesdickicht – des Nachts rasteten wir entweder bei Köhlern oder auf einer sogenannten Streu, wo sich dann immer einige kräftige Männer in grünen Jagdröcken und mit guten Büchsen bewaffnet einfanden – erreichten wir drei Häuser, die einsam auf einer unbedeutenden Waldblöße lagen und an der freien Seite noch durch einen tiefen schwarzen Sumpf gegen unwillkommene Gäste geschützt waren. Nur vom Walde her konnte man diese geräumigen, einstöckigen Bauernhäuser auf kaum sichtbaren Fußwegen betreten. Hier blieben wir, da mein Vater Geschäfte zu haben vorgab. Mir war Alles recht, wenn ich nur sicher sein konnte, das Angesicht dessen, den ich haßte, nicht mehr sehen zu dürfen. Die Bewohner der drei Häuser waren wendische Haidebauern, gutmüthig, lustig und überaus gefällig, wenigstens gegen mich. Was ich wünschte, ward mir gebracht, jeder meiner unbedeutendsten Winke war ihnen Befehl. Ich ward bedient, wie nie, besser selbst, als es Emmas Gewandheit und Haideröschens Anmuth je

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zusammenhängender Erzählung eine Skizze ihres Lebens<br />

seit ihrer gezwungenen Flucht von Boberstein den<br />

Freunden zu entwerfen.<br />

»Ich beginne von dem Augenblicke an, wo wir von<br />

einander schieden,« sprach Herta, indem sie ihre abgemagerte<br />

Hand dem neben ihr sitzenden Maulwurffänger<br />

reichte, als wolle sie ihm nach so langen Jahren<br />

nochmals für den ihr geleisteten Beistand und für die<br />

vielen <strong>Die</strong>nste und Gefälligkeiten, die er ihrer Freundin<br />

erwiesen hatte, Dank sagen. »Umgeben von den<br />

vielen Bewaffneten in Jägerkleidung, immer begleitet<br />

von dem häufig erstickenden Brandgeruch der Haide<br />

und überwölbt von einem trübroth flammenden Himmel,<br />

rollten wir in schlechter, schütternder Kalesche<br />

auf bald holprigen, bald tief in weichem Sande sich<br />

verlierenden Wegen dem verstecktesten Dickicht der<br />

Haide zu. Mein Vater rastete nur bei zerstreut liegenden<br />

Köhlerhütten, deren Bewohner staunend neben<br />

ihren knisternden und qualmenden Meilern standen<br />

und dem gespenstischen Zuge der finstern Rauchwolke<br />

nachsahen, die uns wie der mahnende Geist einer entsetzlichen<br />

That verfolgte. Überall bei diesen schlichten,<br />

ungebildeten, rohen, aber ehrlichen Leuten fand<br />

mein Vater zuvorkommende Aufnahme, sogar eine gewisse<br />

Ehrfurcht ward ihm erwiesen, und als er einmal<br />

auf eine an ihn gerichtete Frage mich gar seine Tochter<br />

nannte, trugen die guten Menschen das Allerbeste

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