Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
— 854 — nicht verläugnen, und daß sie die Herren gern tyrannisirten, wenn sie die Macht dazu besaßen, war einer der häßlichsten Züge in ihrem Charakter. Eine gewisse Beschränkung konnte daher wirklich nöthig und zu ihrer sittlichen Veredlung dienlich sein, nur durfte eine solche nicht die äußersten Grenzen des Erlaubten überschreiten und den freien Menschen zu einem nach Brod winselnden Hunde herabwürdigen! So weit aber hatte Adrian urkundlich sein sogenanntes Wohlwollen und seine väterliche Fürsorge getrieben. Vollbrecht selbst glaubte übrigens nicht an die Versicherungen des Grafen, er hielt sie nur für eine neue, zu völligem Verderben der Wehrlosen lockend ausgeworfene Schlinge. »Wenn dies wirklich Ihre höchst ehrenwerthe Absicht ist, Herr am Stein,« versetzte der Buchhalter, »so würden Sie sich mit einem Male die Herzen aller Ihrer Arbeiter gewinnen durch ein Weihnachtsgeschenk, das Sie ihnen verabreichen ließen. Sie dürfen nicht besorgen, daß ein solches Ihre Untergebenen übermüthig machen würde! Dazu besitzen sie sammt und sonders zu wenig; wohl aber würde es viele Thränen trocknen, viele Gemüther beruhigen und einer Bevölkerung von einigen Tausenden den Übergang aus einem alten Jahre in ein neues versüßen.« »So glauben Sie in Ihrer Menschenfreundlichkeit, lieber Vollbrecht,« entgegnete Adrian, »ich aber weiß, daß der Eindruck einer solchen Handlung gerade jetzt ganz andere Folgen haben würde! Das Sprüchwort
— 855 — vom Löwen, der, wenn er Blut geleckt hat, lüstern wird nach dem Fleische, würde sich in erschreckende Wahrheit verwandeln! Ein solches Geschenk sagte diesen unersättlichen, mir feindlich gesinnten Menschen, daß meine Behauptung von geringer Einnahme nicht streng wahr gewesen sei, sie würden gierig mehr verlangen, und im Weigerungsfalle voll Wuth und Raserei mein Besitzthum überfallen. Damit dies unterbleibe, ich selbst aber die Feiertage ruhig verleben und mich etwas erholen kann, mögen sie noch bis Neujahr schmale Kost genießen. Sie sind daran gewöhnt und werden also nicht sehr davon belästigt werden, am wenigsten aber verhungern. Meinen Sie dies nicht auch, Herr Vollbrecht?« »Ihre Maßregeln zu beurtheilen, gnädiger Herr, erlaube ich mir nicht, da ich Sie in Ihren Entschließungen so fest und unwandelbar finde.« »Das heißt mit andern Worten: Sie mißbilligen mein Verfahren.« »Ich billige es nicht, Herr am Stein!« »Aus Philanthropismus?« »Auch aus Klugheit.« »Fürchten Sie neue Ausbrüche der Unzufriedenheit?« »Das nicht, Herr am Stein. Es giebt keine Unzufriedenen mehr, es giebt blos noch Verzweifelnde und diese verlangen keine Unterredungen.«
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verlangen keine Unterredungen.«