Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 852 — immer zu übertriebenen Forderungen aufgelegter Arbeiter zu lenken und zu befriedigen ist. Die Güte des Arbeitgebers wird von solchen Leuten regelmäßig gemißbraucht, zuvorkommende Behandlung, freigebige Anerkennung ihrer Dienstleistungen nie dankbar aufgenommen. Das Herz des Arbeiters ist dem Arbeitgeber stets feindlich gesinnt, weil er sich immer bevortheilt und den Herrn im Vorzuge glaubt. Alle Fabrikbesitzer haben diese Erfahrungen gemacht und sind durch sie zur Erkenntniß sowohl ihres eignen wie des Vortheils ihrer Arbeiter gekommen. Hoher Lohn, mein lieber Herr Vollbrecht, verdirbt jeden, auch den allerbesten Arbeiter. Er macht ihn hochmüthig, üppig, verschwenderisch, ungehorsam und unverträglich. Statt zu sparen und auf die Zukunft zu denken, schwelgt, praßt, spielt und wettet er, und statt dem Herrn treu und ergeben zu bleiben, verleumdet er ihn und sinnt nur darauf, wie er sich in seinem Sinne noch verbessern kann. Nie, lieber Vollbrecht, wird die Arbeit schlechter verrichtet, als wenn der Lohn ein verhältnißmäßig hoher, der Verdienst mithin ein leichter ist! Dies erkennend, schlug ich einen andern Weg ein und gedenke diesen, mit Gottes Hilfe, auch fernerhin beizubehalten. Ein gewisser Grad von Dürftigkeit ist ein wahres Glück für den Arbeiter, wie für die Arbeit! Jener wird williger, fleißiger und genügsamer, diese besser und mithin vom Käufer begehrter! Wenn der Arbeiter sich abhängig fühlt, begründet er von selbst sei Glück! Es ist also

— 853 — nicht Härte, nicht Grausamkeit und Eigennutz von mir, wenn ich die häufigen Klagen meiner Arbeiter nicht beachtete, vielmehr stellte ich mich hart und unerbittlich zu ihrem eignen Besten. Was ich ihnen an Überfluß abgehen ließ, behielt ich für sie und ihre Kinder zurück, damit ihnen im Fall der Noth, bei wirklich eintretendem Mangel und ausbrechender Theuerung ein Kapital gesichert bleiben möge. Freilich mußte das heimlich und ohne ihr Mitwissen geschehen, weil sie mich sonst auf der Stelle ermordet oder doch geplündert haben würden; aber mein Testament wird dereinst Zeugniß ablegen von meiner Rechtlichkeit und väterlichen Fürsorge für Diejenigen, die ihr Leben meinem Dienst geweiht haben. Ihre Kinder werden mein Grab noch mit Thränen benetzen und die unverdienten Flüche und Verwünschungen damit auszulöschen suchen, die ihre kurzsichtigen Ältern auf meinen Namen gehäuft haben in blindem Wüthen!« Adrian verstand es vortrefflich, eine Rührung zu heucheln, von der sein Herz nichts wußte. Dennoch ward Vollbrecht von diesem scheinbar ehrlichen und offenen Bekenntnisse doch überrascht. Genau mit den Neigungen der Fabrikarbeiter vertraut, mußte er Adrian in vielen Behauptungen Recht geben; tausend Beispiele bestätigten den Hang dieser Leute, leicht und schnell Erworbenes eben so schnell wieder zu verwüsten! Ihre Neigung zu sinnlich verschwenderischem Leben, zu hochmüthiger und prunkvoller Tracht ließ sich

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immer zu übertriebenen Forderungen aufgelegter Arbeiter<br />

zu lenken und zu befriedigen ist. <strong>Die</strong> Güte <strong>des</strong><br />

Arbeitgebers wird von solchen Leuten regelmäßig gemißbraucht,<br />

zuvorkommende Behandlung, freigebige<br />

Anerkennung ihrer <strong>Die</strong>nstleistungen nie dankbar aufgenommen.<br />

Das Herz <strong>des</strong> Arbeiters ist dem Arbeitgeber<br />

stets feindlich gesinnt, weil er sich immer bevortheilt<br />

und den Herrn im Vorzuge glaubt. Alle Fabrikbesitzer<br />

haben diese Erfahrungen gemacht und sind durch sie<br />

zur Erkenntniß sowohl ihres eignen wie <strong>des</strong> Vortheils<br />

ihrer Arbeiter gekommen. Hoher Lohn, mein lieber<br />

Herr Vollbrecht, verdirbt jeden, auch den allerbesten<br />

Arbeiter. Er macht ihn hochmüthig, üppig, verschwenderisch,<br />

ungehorsam und unverträglich. Statt zu sparen<br />

und auf die Zukunft zu denken, schwelgt, praßt,<br />

spielt und wettet er, und statt dem Herrn treu und<br />

ergeben zu bleiben, verleumdet er ihn und sinnt nur<br />

darauf, wie er sich in seinem Sinne noch verbessern<br />

kann. Nie, lieber Vollbrecht, wird die Arbeit schlechter<br />

verrichtet, als wenn der Lohn ein verhältnißmäßig<br />

hoher, der Verdienst mithin ein leichter ist! <strong>Die</strong>s erkennend,<br />

schlug ich einen andern Weg ein und gedenke<br />

diesen, mit Gottes Hilfe, auch fernerhin beizubehalten.<br />

Ein gewisser Grad von Dürftigkeit ist ein wahres Glück<br />

für den Arbeiter, wie für die Arbeit! Jener wird williger,<br />

fleißiger und genügsamer, diese besser und mithin<br />

vom Käufer begehrter! Wenn der Arbeiter sich abhängig<br />

fühlt, begründet er von selbst sei Glück! Es ist also

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