Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 848 — habe ich gar diesen Befehl in der Fieberhitze gegeben, denn ich kann mich durchaus nicht mehr auf ihn besinnen.« »Befehlen vielleicht Ew. Gnaden, daß Herr Vollbrecht jetzt noch – es ist sechs Uhr vorüber –« »Nein, nein, nein, keine Störung, kein Widerruf! Ein Herrenwort muß heilig sein, sonst sinkt der Respect. Die guten Leute werden sich behelfen, wie sie können, werden einander borgen und recht sparsam leben. Sie verderben sich nicht die Magen im Christbrod, was sie gern thun, wenn sie’s haben, und so stiftet mein Fieberbefehl noch eine gute That!« Wieder flog jenes teuflische Hohnlächeln über die Züge des kraftlosen Kranken. Adrian wußte sehr wohl, was er gethan hatte. Er wollte keinen seiner Arbeiter entlassen, was nur möglich war, wenn er die Ablohnung verzögerte. Nach dem Neujahr waren sie abermals sein unter jeder Bedingung, denn bis dahin konnte das Ergebniß der Leipziger Messe ein Vorwand werden, den Lohn auf der bisher beliebten niedrigen Taxe zu erhalten. Und dies war Adrian’s Absicht. »Geh’,« sagte er nach einer langen Pause zu seinem Kammerdiener, »geh’ und bitte Herrn Vollbrecht, wenn es ihm gefällig sei, mich bald mit seinem Besuche zu beehren.« Nach diesem Befehl legte sich der Kranke bequem in den Lehnstuhl zurück, schloß die Augen und schien

— 849 — zu schlafen. Der Bediente entfernte sich, um den Gebieter nicht zu stören, und so gewann dieser Zeit und Ruhe, im Stillen über die mancherlei wichtigen Angelegenheiten, die ihn beschäftigten, mit sich zu Rathe zu gehen. Nach Verlauf einer Viertelstunde, während dem Adrian kein Zeichen des Lebens von sich gegeben hatte, ließ sich Vollbrecht melden und ward angenommen. Nie hatte Herr am Stein seinen Buchhalter und Geschäftsführer mit größerer Innigkeit empfangen, als an diesem Abende. Von schnöder Entlassung, von rachsüchtigen Drohungen, wie Adrian sie vor wenig Wochen gegen den freimüthigen Mann ausgestoßen, war nicht mehr die Rede. Adrian hatte das entweder wirklich vergessen, oder ignorirte es aus geheimen Beweggründen geflissentlich. Daß er Vollbrecht sein volles Vertrauen noch immer schenken sollte, war bei seinem mißtrauischen und versteckten Charakter, der alles gerade Wesen haßte, nicht anzunehmen. Der Buchhalter beglückwünschte den Grafen kühl zu seiner Besserung und überreichte ihm zwei Briefe von Adalbert und dessen Gattin. Ein paar Packete, die zugleich mit angekommen waren, legte er auf den Tisch. »Mein lieber Herr Vollbrecht,« begann Adrian, mit den Briefen spielend, »ich habe Ihnen großes Unrecht abzubitten. Heut’, wo ich mich zum ersten Male als einen zum Leben Erwachten ansehen darf, fühle

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zu schlafen. Der Bediente entfernte sich, um den Gebieter<br />

nicht zu stören, und so gewann dieser Zeit und<br />

Ruhe, im Stillen über die mancherlei wichtigen Angelegenheiten,<br />

die ihn beschäftigten, mit sich zu Rathe<br />

zu gehen.<br />

Nach Verlauf einer Viertelstunde, während dem<br />

Adrian kein Zeichen <strong>des</strong> Lebens von sich gegeben hatte,<br />

ließ sich Vollbrecht melden und ward angenommen.<br />

Nie hatte Herr am Stein seinen Buchhalter und Geschäftsführer<br />

mit größerer Innigkeit empfangen, als an<br />

diesem Abende. Von schnöder Entlassung, von rachsüchtigen<br />

Drohungen, wie Adrian sie vor wenig Wochen<br />

gegen den freimüthigen Mann ausgestoßen, war<br />

nicht mehr die Rede. Adrian hatte das entweder wirklich<br />

vergessen, <strong>oder</strong> ignorirte es aus geheimen Beweggründen<br />

geflissentlich. Daß er Vollbrecht sein volles<br />

Vertrauen noch immer schenken sollte, war bei seinem<br />

mißtrauischen und versteckten Charakter, der alles gerade<br />

Wesen haßte, nicht anzunehmen.<br />

Der Buchhalter beglückwünschte den Grafen kühl zu<br />

seiner Besserung und überreichte ihm zwei Briefe von<br />

Adalbert und <strong>des</strong>sen Gattin. Ein paar Packete, die zugleich<br />

mit angekommen waren, legte er auf den Tisch.<br />

»Mein lieber Herr Vollbrecht,« begann Adrian, mit<br />

den Briefen spielend, »ich habe Ihnen großes Unrecht<br />

abzubitten. Heut’, wo ich mich zum ersten Male<br />

als einen zum Leben Erwachten ansehen darf, fühle

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