Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 846 — das Zimmer gehen. Gebückt, mit zitternden Gliedmaßen, hustend, bleichen Angesichts und mit tiefen, noch krankhaft lodernden Augen ließ er sich von Sessel zu Sessel gängeln, bald an’s Fenster tragen, um sein brennendes Auge an dem reinen silbergestickten Winterkleide zu laben, mit dem sich die Natur zum Feste geschmückt hatte, bald wieder zum Kamine geleiten, damit er die wohlthätige Wärme des stillglimmenden Kohlenfeuers einsaugen könne. »Hat Vollbrecht die Arbeiten einstellen lassen?« fragte er matt. »Es ist mein Wille, daß alle Arbeiter die Feiertage über freie Zeit haben, damit sie sich erholen und Gott danken können für alles Gute, das er an ihnen gethan hat.« Obwohl Adrian seine abgemagerten Finger dabei faltete, zuckte doch ein flüchtiger Zug grausamen Hohnes um den eingekniffenen Mund, der Zeugniß gab von des Kranken zur Gewohnheit gewordenen Heuchelei. »Seit heut’ Morgen stehen die Maschinen still, gnädigster Herr,« versetzte der Kammerdiener. »Das ist Recht, das freut mich! Wie zufrieden werden meine Arbeiter mit dieser Einrichtung sein!« »Ew. Gnaden,« sagte der Bediente, unterbrach sich jedoch selbst, da ihn der Kammerdiener unsanft anstieß. »Nun?« fragte Adrian, als er die Verlegenheit des jungen Menschen und sein Erröthen bemerkte. »Warum

— 847 — schweigst Du, wenn Du mir eine Mittheilung zu machen hast?« »Es hat Zeit damit bis nach dem Feste,« bemerkte der Kammerdiener. »Ich will es aber jetzt, will es sogleich wissen und ohne Vorbehalt!« fiel Adrian heftig ein, da ihn der, obwohl gutgemeinte, Widerspruch seines Kammerdieners ärgerte. »Rede oder ich jage Dich noch heute fort, ohne Lohn und Christbescheerung!« Fragend sah der Diener seinen ältern Gefährten an und da ihm dieser achselzuckend zuwinkte, sagte er: »Ich wollte blos bemerken, Ew. Gnaden, daß die Mehrzahl der Spinner sehr traurige Feiertage halten wird, da wie Sie wissen, das Fest in die Woche fällt und auf Ihren ausdrücklichen Befehl die Lohnauszahlung erst am Tage nach Neujahr erfolgen soll. Die Meisten sind nun ohne Brod, ohne Holz, ohne Winterkleider und die Kälte ist seit heute Morgen um viele Grade gestiegen!« Adrian bewegte theilnehmend und bejahend den Kopf, ohne, wie der Kammerdiener gefürchtet hatte, im Geringsten deßhalb aufzubrausen, was doch in gesunden Tagen seine Art war. »Freilich,« sagte er, »das ist sehr schlimm für die guten Leute, allein es wird auch das Gute haben, sie in Zukunft vorsichtiger und sparsamer zu machen. Ich konnte es nicht wissen, daß sie die paar Groschen so gar nöthig brauchten, – ich phantasirte ja! Vielleicht

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das Zimmer gehen. Gebückt, mit zitternden Gliedmaßen,<br />

hustend, bleichen Angesichts und mit tiefen, noch<br />

krankhaft l<strong>oder</strong>nden Augen ließ er sich von Sessel zu<br />

Sessel gängeln, bald an’s Fenster tragen, um sein brennen<strong>des</strong><br />

Auge an dem reinen silbergestickten Winterkleide<br />

zu laben, mit dem sich die Natur zum Feste<br />

geschmückt hatte, bald wieder zum Kamine geleiten,<br />

damit er die wohlthätige Wärme <strong>des</strong> stillglimmenden<br />

Kohlenfeuers einsaugen könne.<br />

»Hat Vollbrecht die Arbeiten einstellen lassen?« fragte<br />

er matt. »Es ist mein Wille, daß alle Arbeiter die<br />

Feiertage über freie Zeit haben, damit sie sich erholen<br />

und Gott danken können für alles Gute, das er an<br />

ihnen gethan hat.«<br />

Obwohl Adrian seine abgemagerten Finger dabei faltete,<br />

zuckte doch ein flüchtiger Zug grausamen Hohnes<br />

um den eingekniffenen Mund, der Zeugniß gab von<br />

<strong>des</strong> Kranken zur Gewohnheit gewordenen Heuchelei.<br />

»Seit heut’ Morgen stehen die Maschinen still, gnädigster<br />

Herr,« versetzte der Kammerdiener.<br />

»Das ist Recht, das freut mich! Wie zufrieden werden<br />

meine Arbeiter mit dieser Einrichtung sein!«<br />

»Ew. Gnaden,« sagte der Bediente, unterbrach sich<br />

jedoch selbst, da ihn der Kammerdiener unsanft anstieß.<br />

»Nun?« fragte Adrian, als er die Verlegenheit <strong>des</strong> jungen<br />

Menschen und sein Erröthen bemerkte. »Warum

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