Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 8 — »Ich bitte um Nachtquartier für mich und meine Leute,« sagte jetzt der ernste Greis, am Tische Platz nehmend. »Eine gute Streu und ein Gericht Kartoffeln oder Haidegrütze werdet Ihr wohl für uns haben.« »Für Euch gäb’s wohl auch noch ein Stück geräuchertes Fleisch und frisches Sauerkraut,« fiel der Wirth ein, »und dazu möcht’ ich Euch rathen, damit Euer Knecht nicht Hunger leiden darf. Mit Erlaubniß, Ihr kommt aus Polen?« »Tief aus Polen!« »Nun ich will hoffen, daß Ihr nicht zu den Rebellen gehört und Eure Papiere in Richtigkeit sind. Die Gensdarmen sind jetzt wachsamer und strenger als vor Jahr und Tag; denn die Haiden stecken voll verlaufenen Gesindels, das sich heimlich über die Grenzen geschlichen hat.« »Mein Paß steht Euch zu Diensten.« »Daß mich Gott bewahre! Meinethalb frag’ ich nicht, es geschieht blos der Sicherheit der Reisenden wegen. Gäb’s nicht Gensdarmerie, mir zu Gefallen brauchten die Pässe, weiß Gott, nicht erfunden worden zu sein! Ihr seid kein Pole scheint mir?« »Von Geburt nicht.« »Sah’s Euch gleich an, alter Vater! So ehrlich und treuherzig wie Ihr, sieht kein polnischer Bauer aus.« »Muß ich denn gerade ein Bauer sein?« versetzte der Fremde. »Heut’ zu Tage trägt mancher einen Rock, der nicht auf seinen Leib gemacht ist.«

— 9 — »Das trifft sich wohl, alter Vater, indeß wer so viel mit Menschen verschiedenen Schlages umgehen muß, wie der Wirth eines Haidekretschams, der bekommt ein scharfes Auge, glaubt mir’s, und so leicht ist ihm nicht etwas weiß zu machen! Ja, ich wollte wetten, daß mehr altwendisches als deutsches Blut in Euren Adern fließt!« Der Greis sah den Wirth nach dieser Bemerkung mit seinen hellen dunkelblauen Augen scharf an, und da er einen ehrlichen Mann in ihm zu entdecken glaubte, nickte er und rief ihm den wendischen Gruß »Bomhai boh!« zu, denn bisher war das Gespräch deutsch geführt worden. Schnell und heiter entgegnete der Wirth »Wersh bomhasi!« schüttelte beiden Gästen die Hand und setzte mit Lebhaftigkeit und jener traulichen Freundlichkeit und sorglos-heitern Laune, die den Wenden eigen ist, die Unterhaltung fort. Inzwischen war auch der jüdische Knecht mit seinem Sohne in das Zimmer getreten und hatte sich abseits vom Schenktische, dem Ofen gegenüber, an einen besondern Tisch gesetzt. Sie verlangten Schnaps und trockenes Brod mit Salz, das ihnen nebst einem Glase Bier ein junges Mädchen vorsetzte. Das Mädchen war stark und kräftig, strotzte von Gesundheit und schien sich um Druck und Noth der Zeit keine Sorge zu machen. Es richtete einige Fragen an die emsige Spinnerin, erhielt aber keine Antwort. Erst, als sie ziemlich

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»Ich bitte um Nachtquartier für mich und meine Leute,«<br />

sagte jetzt der ernste Greis, am Tische Platz nehmend.<br />

»Eine gute Streu und ein Gericht Kartoffeln <strong>oder</strong><br />

Haidegrütze werdet Ihr wohl für uns haben.«<br />

»Für Euch gäb’s wohl auch noch ein Stück geräuchertes<br />

Fleisch und frisches Sauerkraut,« fiel der Wirth<br />

ein, »und dazu möcht’ ich Euch rathen, damit Euer<br />

Knecht nicht Hunger leiden darf. Mit Erlaubniß, Ihr<br />

kommt aus Polen?«<br />

»Tief aus Polen!«<br />

»Nun ich will hoffen, daß Ihr nicht zu den Rebellen<br />

gehört und Eure Papiere in Richtigkeit sind. <strong>Die</strong> Gensdarmen<br />

sind jetzt wachsamer und strenger als vor Jahr<br />

und Tag; denn die Haiden stecken voll verlaufenen Gesindels,<br />

das sich heimlich über die Grenzen geschlichen<br />

hat.«<br />

»Mein Paß steht Euch zu <strong>Die</strong>nsten.«<br />

»Daß mich Gott bewahre! Meinethalb frag’ ich nicht,<br />

es geschieht blos der Sicherheit der Reisenden wegen.<br />

Gäb’s nicht Gensdarmerie, mir zu Gefallen brauchten<br />

die Pässe, weiß Gott, nicht erfunden worden zu sein!<br />

Ihr seid kein Pole scheint mir?«<br />

»Von Geburt nicht.«<br />

»Sah’s Euch gleich an, alter Vater! So ehrlich und<br />

treuherzig wie Ihr, sieht kein polnischer Bauer aus.«<br />

»Muß ich denn gerade ein Bauer sein?« versetzte der<br />

Fremde. »Heut’ zu Tage trägt mancher einen Rock, der<br />

nicht auf seinen Leib gemacht ist.«

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