Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 794 — hungernden Weibes in vergangener Nacht, er hat Wimmern meiner Kinder vernommen, die ihre Hände nach mir, ihrem Ernährer, ausstreckten und um Brod, nur um eine kleine Krume Brod baten! – Ich konnte ihnen nichts, gar nichts geben. Ein kalter Blick der Verzweiflung war meine Antwort. Aber tief im Herzen und bei dem ewigen Heil, an das ich glaube, gelobte ich mir, mit Dir ein ernstes Wort zu sprechen. Wie ich, dachten alle meine leidenden Brüder. Sie jauchzten mir zu und von ihnen bevollmächtigt kamen wir fünf Männer hierher. Und wen haben wir getroffen!« »Einen consequenten Mann, will ich hoffen,« sagte Adrian. »Einen Mann ohne menschliche Regung! Einen Mann, dessen Herz von Granit ist, wie die Felsen, auf denen sein Sclavenzwinger ruht! Einen Mann, der Unglückliche verhöhnen kann, während ihm noch die sardanapalische Mast des vorigen Abends aufstößt! O einen Mann, dem alle Guten fluchen und dessen Untergang ein Segen sein würde für Millionen!« »Du hättest studiren sollen, Martell. Zu einem Stegreifredner scheinst Du Anlage zu haben. Indeß der Tag bricht an, wie ich sehe, und da denn doch einmal Alles ein Ende nehmen muß, so bitte ich, falls mein Bescheid Dir und Deinem liederlichen Anhange genügt, diese Unterredung zu schließen. Ich erlaube Dir auch für die gehabte Mühe Deinen Gaumen durch ein Glas Wein aufzufrischen und ein Frühstück einzunehmen

— 795 — von den Leckerbissen, die, wie es scheint, Deinen Appetit so ungewöhnlich erregen, daß Du auf der Stelle die Beschreibung einer leibhaften Hungersnoth improvisirst.« Martell wandte sich mit Abscheu ab. Seinen schwarzen Lockenkopf schüttelnd sagte er verächtlich: »Behüte mich Gott vor solchem Frevel, Herr am Stein! Der Bissen, den ich aus diesen silbernen Schalen zum Munde führte, würde sich auf meiner Zunge in Gift verwandeln! Ein Vater kann so hart sein, daß er thränenlos sein Weib, seine Kinder vor Hunger hinsterben sieht, so grausam, so cannibalisch aber ist er nicht, daß er von dem Herzblut dieses geliebten theuren Weibes, dieser ihm von Gott geschenkten Kleinen seinen Hunger stillen könnte! – Das, Herr am Stein, können nur die Reichen, denen das Gespenst der Armuth nicht allnächtlich als Gardine das Lager umfängt!« Martell’s Begleiter sahen einander an und traten dem unerbittlichen Fabrikherrn näher. »Haben Sie Erbarmen mit uns,« sagte der Eine. »Gott der Herr wird’s Ihnen vergelten immer und ewiglich!« rief ein Anderer. »Wir müssen sonst schlecht, wir müssen Diebe und Räuber werden!« grollten die übrigen. Vollbrecht trat ebenfalls hinzu. Mit gefalteten Händen, mit einem Blick des tiefsten Bedauerns und mit flehentlich bewegter Stimme sprach er:

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von den Leckerbissen, die, wie es scheint, Deinen Appetit<br />

so ungewöhnlich erregen, daß Du auf der Stelle<br />

die Beschreibung einer leibhaften Hungersnoth improvisirst.«<br />

Martell wandte sich mit Abscheu ab. Seinen schwarzen<br />

Lockenkopf schüttelnd sagte er verächtlich:<br />

»Behüte mich Gott vor solchem Frevel, Herr am<br />

Stein! Der Bissen, den ich aus diesen silbernen Schalen<br />

zum Munde führte, würde sich auf meiner Zunge<br />

in Gift verwandeln! Ein Vater kann so hart sein, daß er<br />

thränenlos sein Weib, seine Kinder vor Hunger hinsterben<br />

sieht, so grausam, so cannibalisch aber ist er nicht,<br />

daß er von dem Herzblut dieses geliebten theuren Weibes,<br />

dieser ihm von Gott geschenkten Kleinen seinen<br />

Hunger stillen könnte! – Das, Herr am Stein, können<br />

nur die Reichen, denen das Gespenst der Armuth nicht<br />

allnächtlich als Gardine das Lager umfängt!«<br />

Martell’s Begleiter sahen einander an und traten<br />

dem unerbittlichen Fabrikherrn näher.<br />

»Haben Sie Erbarmen mit uns,« sagte der Eine.<br />

»Gott der Herr wird’s Ihnen vergelten immer und<br />

ewiglich!« rief ein Anderer.<br />

»Wir müssen sonst schlecht, wir müssen <strong>Die</strong>be und<br />

Räuber werden!« grollten die übrigen.<br />

Vollbrecht trat ebenfalls hinzu. Mit gefalteten Händen,<br />

mit einem Blick <strong>des</strong> tiefsten Bedauerns und mit<br />

flehentlich bewegter Stimme sprach er:

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