Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
— 788 — trete ich in Gesellschaft dieser rechtlichen Männer am frühen Morgen zu Ihnen und flehe, flehe Sie aus tiefstem Herzensgrunde an: haben Sie Erbarmen mit Ihren Knechten! Wir arbeiten mit unsern Weibern und Kindern zu Ihrem Wohle und Ruhme Tag und Nacht, wir arbeiten gern und willig, aber unser Fleiß, unsere Arbeitslust muß erschlaffen, wenn es uns aus Mangel an Nahrung an der erforderlichen Kraft gebricht! – Ihr Lohn, Herr am Stein, wie er uns seit drei Wochen ausgezahlt wird, ist zu gering! Wir können dabei nicht mehr bestehen, wir müssen langsam verhungern! Darum bitten wir Sie im Namen Tausender: erhöhen Sie ihn wieder und wir Alle werden Sie preisen und auf Händen tragen!« Adrian schlug die Beine über einander, zog einen der schweren ciselirten silbernen Armleuchter zu sich heran, gab dem Rollstuhle einen Stoß, daß er die Mitte der Tafel erreichte, und griff nach einem goldenen Cigarrenetui. Dies öffnend nahm er eine der feinsten Havannahcigarren heraus und zündete sie an. Nun erst erwiederte er: »Es thut mir leid – allein, wenn Ihr mir weiter nichts mitzutheilen hattet, bedaure ich, daß Ihr Zeit und mithin Geld verloren habt! Wer sich bei mir zurückgesetzt glaubt, kann gehen! Ich halte ja Niemand, zwinge Niemand, mir zu dienen! Lieber Gott, was will man denn noch? Freier bewegt sich auf Gottes weiter Erde kein König und kein Kaiser, wie meine Arbeiter!«
— 789 — »Dieser Scherz, Herr am Stein, ist sehr bitter,« entgegnete Martell. »Obwohl arm, haben wir doch ein Herz, das eben so gut und tief fühlt, wie das Ihrige. Was Sie Freiheit nennen, ist unser aller Joch, unter dessen entsetzlicher Last wir sterben.« »Das scheint mindestens sehr langsam zu gehen, Martell; denn an Deinen und Deiner Genossen Gliedmaßen sehe ich noch keine Todtenflecke.« Wieder trat die dunkle Röthe des schwer verhaltenen Zornes auf Martell’s Wangen. »Ja,« sagte er, mit Mühe seine Entrüstung bekämpfend, »es geht freilich recht langsam, so fürchterlich langsam, daß man es mit Fug und Recht eine ausgesuchte Folterqual nennen kann. Wir sterben hundertmal halb, ehe sich der Tod unseres Elendes ganz erbarmt! Und, Herr am Stein, wir haben auch Weiber, haben Kinder! Wissen Sie, wie diese Schwachen leiden? Wie sie die Ohnmacht der Natur durch Überspannung reizen, um für Sie, hören Sie, für Sie zu arbeiten? Es ist das ein Anblick zum Erbarmen, der jedem rechtlichen Vater gar sehr, sehr wehe thut!« »Gott Lob,« entgegnete Adrian, »der Himmel hat mich mit dem Amt eines Armenpflegers verschont! Wenn ich mich nicht speciell um das Lamento jedes quakelnden Kindes oder hüstelnden Weibes kümmere, so handle ich nur christlich; denn es heißt, wie Euch bekannt ist, ›was Deines Amtes nicht ist, da laß Deinen
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Sie Freiheit nennen, ist unser aller Joch, unter <strong>des</strong>sen<br />
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Martell; denn an Deinen und Deiner Genossen Gliedmaßen<br />
sehe ich noch keine Todtenflecke.«<br />
Wieder trat die dunkle Röthe <strong>des</strong> schwer verhaltenen<br />
Zornes auf Martell’s Wangen.<br />
»Ja,« sagte er, mit Mühe seine Entrüstung bekämpfend,<br />
»es geht freilich recht langsam, so fürchterlich<br />
langsam, daß man es mit Fug und Recht eine ausgesuchte<br />
Folterqual nennen kann. Wir sterben hundertmal<br />
halb, ehe sich der Tod unseres Elen<strong>des</strong> ganz erbarmt!<br />
Und, Herr am Stein, wir haben auch Weiber, haben<br />
Kinder! Wissen Sie, wie diese Schwachen leiden?<br />
Wie sie die Ohnmacht der Natur durch Überspannung<br />
reizen, um für Sie, hören Sie, für Sie zu arbeiten? Es ist<br />
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Vater gar sehr, sehr wehe thut!«<br />
»Gott Lob,« entgegnete Adrian, »der Himmel hat<br />
mich mit dem Amt eines Armenpflegers verschont!<br />
Wenn ich mich nicht speciell um das Lamento je<strong>des</strong><br />
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so handle ich nur christlich; denn es heißt, wie Euch<br />
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