Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 774 — Armuth hatte ihr zartfühlendes Herz wohl durch die Qual der Noth zerfleischen können, die sie begleitete, ihre schmutzigen Schlacken, die sich schuppenartig fest zu setzen pflegen an den ihr verfallenen Opfern und es durch einen Panzer von Gemeinheit abschließen von der übrigen Welt, diese hatten sie nie berührt. Was sie erduldet, das sah sie für eine Schickung an, für ein zur Fortentwickelung des Weltbildungsgangs Nothwendiges, zu dessen Werkzeuge sie Gott ausersehen hatte. Diese allerdings mehr fatalistische als christliche Weltansicht trug Herta stets über alle unreinen Tiefen und wüsten Abgründe des Lebens hinweg und ließ sie mit den Jahren eine Ruhe und geistige Besonnenheit gewinnen, die für sie ein hoher Ersatz des jubelnden phantastischen Glücks war, in dem als Mädchen ihre Seele aufjauchzte. Herta war nicht glücklich aber zufrieden geworden. Sie hatte ihr Herz eben so gut zu beschränken gewußt, wie ihre Bedürfnisse und dies allein rettete sie vor geistigem und leiblichem Untergange. Aurel bestand in seiner Aufregung eine Zeit lang darauf, daß Herta sogleich ihren Versteck verlassen und ihm in’s Hôtel folgen sollte. Es kostete Mühe, dem hartnäckigen Mann das Unpassende dieses Vorschlages begreiflich zu machen. Endlich aber sah er es doch ein und gab ihn auf.

— 775 — »Nun gut denn, so bleiben Sie!« sagte er lebhaft. »Nur verbieten Sie dieser dämonischen Sibylle fernerhin ihre Orakelsprüche! Ich könnte mich sonst in die unangenehme Nothwendigkeit versetzt sehen, ihre von äußerer Noth dictirten Betrügereien aufdecken zu müssen! Wer gläubigen Herzens ihren Aussagen lauscht, dem können sie verhängnißvoll werden fürs ganze Leben! Es ist Sünde, Frevel, mit dem Geheimniß zu spielen. Oft rächt es sich fürchterlich!« »Ich verspreche Ihnen, Herr Kapitän, daß Emma ihre Kunst zu unserm Glück an Ihnen zum letzten Male erprobt haben soll.« »Versprechen Sie mir auch, theure Tante, daß Sie mich nicht mehr verlassen, daß Sie zurückkehren wollen in die Welt, in den Schooß der Familie, deren edelstes Glied Sie sind?« »Darüber will ich mit Gott, der mein Schicksal bisher gelenkt hat, zu Rathe gehen.« »O Gott ist barmherzig und gerecht! Sie werden mir folgen!« »Ich möchte es gern, weil Sie so gut, so großmüthig sind!« »Werden Sie auch dann noch mich für großmüthig halten, wenn ich Sie bitte, mich einen Blick in Ihr Leben thun zu lassen? Dieser Zauberring fordert dazu auf.« »Um ihn einzulösen, will ich der Zeit gedenken, wo ich ihn von mir gab.«

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»Nun gut denn, so bleiben Sie!« sagte er lebhaft.<br />

»Nur verbieten Sie dieser dämonischen Sibylle fernerhin<br />

ihre Orakelsprüche! Ich könnte mich sonst in<br />

die unangenehme Nothwendigkeit versetzt sehen, ihre<br />

von äußerer Noth dictirten Betrügereien aufdecken<br />

zu müssen! Wer gläubigen Herzens ihren Aussagen<br />

lauscht, dem können sie verhängnißvoll werden fürs<br />

ganze Leben! Es ist Sünde, Frevel, mit dem Geheimniß<br />

zu spielen. Oft rächt es sich fürchterlich!«<br />

»Ich verspreche Ihnen, Herr Kapitän, daß Emma ihre<br />

Kunst zu unserm Glück an Ihnen zum letzten Male<br />

erprobt haben soll.«<br />

»Versprechen Sie mir auch, theure Tante, daß Sie<br />

mich nicht mehr verlassen, daß Sie zurückkehren wollen<br />

in die Welt, in den Schooß der Familie, deren edelstes<br />

Glied Sie sind?«<br />

»Darüber will ich mit Gott, der mein Schicksal bisher<br />

gelenkt hat, zu Rathe gehen.«<br />

»O Gott ist barmherzig und gerecht! Sie werden mir<br />

folgen!«<br />

»Ich möchte es gern, weil Sie so gut, so großmüthig<br />

sind!«<br />

»Werden Sie auch dann noch mich für großmüthig<br />

halten, wenn ich Sie bitte, mich einen Blick in Ihr Leben<br />

thun zu lassen? <strong>Die</strong>ser Zauberring fordert dazu<br />

auf.«<br />

»Um ihn einzulösen, will ich der Zeit gedenken, wo<br />

ich ihn von mir gab.«

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