Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
— 724 — hart neben einander zwei dunkele sich ewig bewegende Rauchsäulen. Sie verkündeten die ununterbrochene Thätigkeit der Fabrik. Umschlossen von neuem Baumwuchs und von kleinen mit Dornen eingehegten Feldern, auf denen jetzt das Kartoffelkraut braun, welk und vom Nachtfrost erstarrt sich zur bereiften Erde herabbeugte, lag das zu Boberstein gehörige Dorf. Hier wohnten blos Fabrikarbeiter mit ihren meist zahlreichen Familien. Der Ort war gassenartig gebaut und schmiegte sich halbkreisförmig um die Ufer des See’s. Alle Häuser in dem Dorfe waren klein, niedrig und von armseligem Aussehen. Ordnung und Reinlichkeit vermißte man vor den Thüren und auf den Gassen. Die Zäune, welche jedes Haus umzirkten, waren schlecht gehalten, selbst die wenigen kleinen Gärtchen, die sich hin und wieder zeigten, ließen die pflanzende Hand eines Gärtners schmerzlich vermissen. In diesem Wohnort der Fabrikarbeiter, der das traurige Bild einer völlig verarmten Gemeinde, einer Bevölkerung, wenn nicht von Bettlern, doch gewiß von Menschen darbot, die kümmerlich nur von einem Tage zum andern ihr sorgenschweres Leben hinfristen, traten mit Aufgang der Sonne unsere beiden jungen
— 725 — Freunde. Der gelbe beizende Rauch, der aus den Hütten aufstieg, wirbelte in dicken Wolken über die Strohdächer, und wälzte sich, niedergedrückt von der kalten Morgenluft, an der Erde fort. An dem eigenthümlichen Geruch desselben war das Feuerungsmaterial – halbtrockenes Kartoffelkraut – nicht zu verkennen. Obgleich mitten im Walde wohnend, konnten die Spinner doch kein Holz kaufen, weil ihr Verdienst zu solchen ungewöhnlichen Ausgaben nicht hinreichte. Nur die sogenannte Streu, der Abfall von Tannicht, das verdorrte Waldkraut und abgestorbenes Gestrüpp, das alte Mütterchen und Greise oder kleine Kinder zusammenlasen, diente den Meisten zur Feuerung. Auf der Fabrik läutete eben die Glocke zum Arbeitswechsel und die beiden Wanderer erblickten durch den über dem See schwimmenden Nebel die Fähren und Kähne, welche die ab- und antretenden Arbeiter herüber und hinüber beförderten. Fast zugleich mit ihnen landeten die abgelösten Spinner und zerstreuten sich nach verschiedenen Richtungen in ihre Häuser. Eduard, schon bekannt mit dem Leben und Treiben, achtete wenig darauf, Paul dagegen war ganz Auge und verschlang See, Fabrik und sonstige Umgebung mit gierigen Blicken. Er sprach kein Wort, allein das tiefe Athemholen und das hastige Umsichblicken verrieth seine heftige Aufregung. Der Geist seiner verstorbenen Mutter, die hier so viel gelitten hatte, umschwebte ihn.
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Freunde. Der gelbe beizende Rauch, der aus den Hütten<br />
aufstieg, wirbelte in dicken Wolken über die Strohdächer,<br />
und wälzte sich, niedergedrückt von der kalten<br />
Morgenluft, an der Erde fort. An dem eigenthümlichen<br />
Geruch <strong>des</strong>selben war das Feuerungsmaterial –<br />
halbtrockenes Kartoffelkraut – nicht zu verkennen. Obgleich<br />
mitten im Walde wohnend, konnten die Spinner<br />
doch kein Holz kaufen, weil ihr Verdienst zu solchen<br />
ungewöhnlichen Ausgaben nicht hinreichte. Nur<br />
die sogenannte Streu, der Abfall von Tannicht, das verdorrte<br />
Waldkraut und abgestorbenes Gestrüpp, das alte<br />
Mütterchen und Greise <strong>oder</strong> kleine Kinder zusammenlasen,<br />
diente den Meisten zur Feuerung.<br />
Auf der Fabrik läutete eben die Glocke zum Arbeitswechsel<br />
und die beiden Wanderer erblickten durch den<br />
über dem See schwimmenden Nebel die Fähren und<br />
Kähne, welche die ab- und antretenden Arbeiter herüber<br />
und hinüber beförderten. Fast zugleich mit ihnen<br />
landeten die abgelösten Spinner und zerstreuten sich<br />
nach verschiedenen Richtungen in ihre Häuser.<br />
Eduard, schon bekannt mit dem Leben und Treiben,<br />
achtete wenig darauf, Paul dagegen war ganz Auge<br />
und verschlang See, Fabrik und sonstige Umgebung<br />
mit gierigen Blicken. Er sprach kein Wort, allein das<br />
tiefe Athemholen und das hastige Umsichblicken verrieth<br />
seine heftige Aufregung. Der Geist seiner verstorbenen<br />
Mutter, die hier so viel gelitten hatte, umschwebte<br />
ihn.