Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 712 — Sie traten in die große vom Ofenrauch geschwärzte Schenkstube, die zwei dünne Talglichter nur dämmernd erleuchteten. Blos zwei der täglichen, rothbraun angestrichenen Tische waren mit Gästen besetzt, übrigens war das weite Zimmer leer. Zunächst dem Ofen trafen sie den Wenden mit seinem Enkel, beschäftigt, einen Abendimbiß einzunehmen. Sloboda erkannte Leberecht sogleich und auch dieser konnte nicht zweifeln, den Vater des unglücklichen Haideröschens vor sich zu sehen. Nach ländlicher Sitte, treuherzig und derb schüttelten sich die gealterten Männer zum herzlichen Gruße die Hände. »Ulrich,« sagte Leberecht zum Wirth, nachdem er den Wenden durch Zutrinken des dargereichten Glases Bescheid gethan hatte, »wenn Ihr heut’ Abend keine Gäste im Cabinet erwartet, könntet Ihr uns dasselbe auf eine Stunde abtreten. Wir haben ’was Wichtiges unter einander zu besprechen.« Zuvorkommend gestattete der Kretschamhalter diese Vergünstigung und alsbald saßen die fünf Freunde ungestört im engen Cabinet nebeneinander. Der Maulwurffänger ließ Speise und Trank auftragen und forderte Leberecht nochmals auf, seine Erzählung zu beginnen. Nach einigem Nachdenken machte dieser den staunenden Zuhörern folgende Mittheilungen. »Es ist Euch bekannt, daß der Voigt Ephraim wenige Tage vor der Einäscherung Bobersteins erkrankt war. Der Schreck über den furchtbaren Haidebrand,

— 713 — über die Erhebung der Leibeigenen und die Flucht des Grafen in’s Ausland verschimmerten den Zustand des Kranken von Tage zu Tage. Er siechte langsam hin und ward zusehends elender. Wer ihn sah, konnte nicht mehr an seiner baldigen Auflösung zweifeln. Er selbst ahnte das Herannahen des Todes und verfiel in eine Unruhe und Herzensangst, die seine körperlichen Schmerzen zur unerträglichen Qual steigerten. Die Lage des Unglücklichen war in der That bedauernswürdig, da Graf Magnus die Verwaltung des Zeiselhofes ganz in seine Hände niedergelegt hatte und von ihm allein Rechenschaft forderte. »Obgleich ich dem Voigte nie sehr freundlich begegnet war, hatte er zu mir doch ein auffallendes Zutrauen. Freiwillig und in ziemlicher Ausdehnung trug er seine Macht auf mich über, so daß ich wider Willen statt seiner gebietender Voigt wurde. So ungern ich mich ihm unentbehrlich machte, so gewissenhaft erfüllte ich doch meine Pflicht, und weil ich wochenlang alle Geschäfte des Voigtes verrichten mußte, schenkte mir Ephraim dafür eine fast brüderliche Zuneigung. Am Abend jedes Tages, wenn ich ihm Rechenschaft von meinem Thun ablegte, drückte er mir die Hand und häufig gesellten sich zu seinen Seufzern und Stöhnen sogar Thränen.

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über die Erhebung der Leibeigenen und die Flucht <strong>des</strong><br />

Grafen in’s Ausland verschimmerten den Zustand <strong>des</strong><br />

Kranken von Tage zu Tage. Er siechte langsam hin und<br />

ward zusehends elender. Wer ihn sah, konnte nicht<br />

mehr an seiner baldigen Auflösung zweifeln. Er selbst<br />

ahnte das Herannahen <strong>des</strong> To<strong>des</strong> und verfiel in eine<br />

Unruhe und Herzensangst, die seine körperlichen<br />

Schmerzen zur unerträglichen Qual steigerten. <strong>Die</strong> Lage<br />

<strong>des</strong> Unglücklichen war in der That bedauernswürdig,<br />

da Graf Magnus die Verwaltung <strong>des</strong> Zeiselhofes<br />

ganz in seine Hände niedergelegt hatte und von ihm<br />

allein Rechenschaft forderte.<br />

»Obgleich ich dem Voigte nie sehr freundlich begegnet<br />

war, hatte er zu mir doch ein auffallen<strong>des</strong> Zutrauen.<br />

Freiwillig und in ziemlicher Ausdehnung trug er<br />

seine Macht auf mich über, so daß ich wider Willen<br />

statt seiner gebietender Voigt wurde. So ungern ich<br />

mich ihm unentbehrlich machte, so gewissenhaft erfüllte<br />

ich doch meine Pflicht, und weil ich wochenlang<br />

alle Geschäfte <strong>des</strong> Voigtes verrichten mußte, schenkte<br />

mir Ephraim dafür eine fast brüderliche Zuneigung.<br />

Am Abend je<strong>des</strong> Tages, wenn ich ihm Rechenschaft von<br />

meinem Thun ablegte, drückte er mir die Hand und<br />

häufig gesellten sich zu seinen Seufzern und Stöhnen<br />

sogar Thränen.

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