Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 70 — meinetwegen in’s Gebet nehmen, so lange Ihr wollt, und ihm alle Lügen hererzählen, die Ihr Euch von den Missionsblättern aufbinden laßt.« »Lügen, Bruder Heinrich, ist in diesem Falle kein gewähltes Wort,« bemerkte der Schulmeister, »ich würde lieber Unrichtigkeiten sagen. Lehrer der christlichen Religion pflegen nicht zu lügen.« »Wie Du willst, Gregor, meinethalben bring’s zu Papiere.« »Natürlich, natürlich!« Schlenker schüttelte den Kopf, setzte sich wieder auf die Ofenbank, die Beine über einander schlagend und beide Hände gefaltet über seine Knie legend. In dieser Stellung verharrte er den ganzen Rest des Abends und hörte mit größter Spannung dem Gespräche Heinrich’s mit Sloboda zu. Nur wenn er das Bedürfniß fühlte, eine Prise Tabak zu nehmen, machte er regelmäßig die schon beschriebenen wunderlichen Bewegungen. Auch Gregor mischte sich nicht in das Gespräch, nur bei Stellen, die ihn besonders ansprachen oder wo sein Bruder sich direct an ihn wandte, ließ er sein bekräftigendes »Natürlich« hören. Das Erste, was der Maulwurffänger hervorholte, war jenes räthselhafte Papier, dessen Entstehung sich eben so leicht erklären ließ, als es beide befreundete Männer wunderte, daß nie ein Wort davon zu ihrer Kenntniß gelangt war. Nur die Annahme, daß Röschen in Folge des Verlustes der Verschreibung an deren Giltigkeit

— 71 — völlig verzweifelt sein möge, und deßhalb mit Absicht über deren Empfang gänzliches Stillschweigen beobachtet habe, gab im Nothfall den Schlüssel dazu her. Als sich Sloboda von der Ächtheit des Papieres und der Handschrift des Grafen vollkommen überzeugt hatte, drang er in Heinrich, ihn mit seinen Plänen und Schritten, die er beabsichtige, bekannt zu machen. Der Maulwurffänger war dazu bereit und ließ sich in eine genaue Auseinandersetzung des Geschehenen ein, alles Muthmaßliche vor der Hand noch ganz bei Seite schiebend. »Du mußt vor Allem wissen,« sagte er, »daß die früheren mächtigen Grafen von Boberstein schon seit Jahren weiter nichts sind, als speculirende Handelsherren, die sich in dieser neuen Eigenschaft des Grafentitels begeben haben, da das Markten und Feilschen allem Adel schlecht zu Gesicht steht. Sie nennen sich jetzt als Großhändler einfach Herren am Stein. Solcher Herren am Stein leben gegenwärtig noch drei, wovon zwei schon sehr lange auf großen Reisen sind, wie es heißt, der älteste aber auf seinem Grund und Boden geblieben ist. Ich will dem Manne, den ich nur selten gesehen habe, nichts Böses nachsagen, nur so viel bemerke ich, daß ihn der Ruf als hartherzig und egoistisch schildert. Den Rest des väterlichen Erbes, in nicht viel mehr bestehend als dem Grundbesitz der zur eigentlichen

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völlig verzweifelt sein möge, und deßhalb mit Absicht<br />

über deren Empfang gänzliches Stillschweigen beobachtet<br />

habe, gab im Nothfall den Schlüssel dazu her.<br />

Als sich Sloboda von der Ächtheit <strong>des</strong> Papieres und<br />

der Handschrift <strong>des</strong> Grafen vollkommen überzeugt<br />

hatte, drang er in Heinrich, ihn mit seinen Plänen und<br />

Schritten, die er beabsichtige, bekannt zu machen. Der<br />

Maulwurffänger war dazu bereit und ließ sich in eine<br />

genaue Auseinandersetzung <strong>des</strong> Geschehenen ein, alles<br />

Muthmaßliche vor der Hand noch ganz bei Seite<br />

schiebend.<br />

»Du mußt vor Allem wissen,« sagte er, »daß die früheren<br />

mächtigen Grafen von Boberstein schon seit Jahren<br />

weiter nichts sind, als speculirende Handelsherren,<br />

die sich in dieser neuen Eigenschaft <strong>des</strong> Grafentitels<br />

begeben haben, da das Markten und Feilschen allem<br />

Adel schlecht zu Gesicht steht. Sie nennen sich jetzt<br />

als Großhändler einfach Herren am Stein. Solcher Herren<br />

am Stein leben gegenwärtig noch drei, wovon zwei<br />

schon sehr lange auf großen Reisen sind, wie es heißt,<br />

der älteste aber auf seinem Grund und Boden geblieben<br />

ist. Ich will dem Manne, den ich nur selten gesehen<br />

habe, nichts Böses nachsagen, nur so viel bemerke<br />

ich, daß ihn der Ruf als hartherzig und egoistisch schildert.<br />

Den Rest <strong>des</strong> väterlichen Erbes, in nicht viel mehr<br />

bestehend als dem Grundbesitz der zur eigentlichen

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