Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 676 — »Nichts weiter als einen Brief. Da ist er! Schleunigst zu besorgen, steht darauf gekritzelt, irre ich nicht, von der Hand Ihres sehr ehrenwerthen Herrn Bruders.« Gilbert überreichte Aurel das Schreiben, der mit einiger Hast danach griff. »Sie erlauben, mein Fräulein?« »Bitte!« Aurel riß das Couvert auf, ein langer Brief blieb in seinen Händen. »Das geht nicht,« sagte er, das Schreiben zu sich steckend. »Ich brauche mindestens eine Stunde, um diese Buchstaben zu entziffern.« »Lassen Sie sich durchaus nicht stören, Herr Kapitän!« »Es hat Zeit,« fiel Aurel Bianca in’s Wort. »Geh’, Gilbert, und besorge eine Droschke!« Gilbert entfernte sich. »Bianca,« rief nun der junge Kapitän gerüht, indem er beide Hände des schönen Mädchens erfaßte, »Ihre Offenheit hat mich eben so tief erschüttert, wie die betrübenden Erfahrungen, die Sie, noch so jung, bereits gemacht haben. Ich nehme wahrhaften Antheil an Ihnen, und ich wünsche, daß bessere, heiterere, schuldlosere Tage die Vergangenheit mit all’ ihren Schrecknissen Sie werden vergessen machen. Nehmen Sie es für ein Schicksal, daß ich, selbst ein vielfach gefallener Mann, Ihnen gerade jetzt begegnet bin, und geben Sie mir das Versprechen, Hamburg zu verlassen, sobald ich es fordere. Es wird sich ein passenderer Aufenthaltsort

— 677 — für Sie finden, ich weiß es, und was an mir liegt, einen solchen recht bald zu ermitteln, soll geschehen. Können Sie sich dazu entschließen?« Bianca’s Blick ruhte geraume Zeit auf den freundlichen, treuherzigen Augen des Kapitäns. Sie drückte ihm dankend die Hand und sagte: »Ich folge Ihnen, denn ich erblicke in Ihnen den rettenden Engel, den meine fürbittenden Ältern mir senden.« Aurel stand auf, drückte die schöne Sünderin an sich und hauchte einen Kuß auf ihre Stirn. Ein Wagen fuhr vor. Gilbert meldete, daß Alles bereit sei. Ein paar Secunden später rollte die Droschke mit Aurel, Bianca und Gilbert nach der Stadt. 35. DIE MOHRENTAVERNE. Aurel begleitete Bianca bis an ihre Wohnung. Hier empfahl er sich nochmals mit herzlichem Händedruck, bat sie wiederholt, daß sie ihm blindlings vertrauen möge, und eilte alsdann mit Gilbert nach Hause. Es war bereits zehn Uhr vorüber und noch stand ihm für die Dauer der Nacht ein neues Abenteuer bevor. Wollte er dies nicht auf einen andern Abend verschieben, so war es die höchste Zeit, sich darauf vorzubereiten. »Gilbert,« sagte der Kapitän, »suche aus meiner Garderobe die schlechteste Matrosenkleidung zusammen und lege meine Pistolen und meinen indischen Dolch

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für Sie finden, ich weiß es, und was an mir liegt, einen<br />

solchen recht bald zu ermitteln, soll geschehen. Können<br />

Sie sich dazu entschließen?«<br />

Bianca’s Blick ruhte geraume Zeit auf den freundlichen,<br />

treuherzigen Augen <strong>des</strong> Kapitäns. Sie drückte<br />

ihm dankend die Hand und sagte: »Ich folge Ihnen,<br />

denn ich erblicke in Ihnen den rettenden Engel, den<br />

meine fürbittenden Ältern mir senden.«<br />

Aurel stand auf, drückte die schöne Sünderin an sich<br />

und hauchte einen Kuß auf ihre Stirn.<br />

Ein Wagen fuhr vor. Gilbert meldete, daß Alles bereit<br />

sei. Ein paar Secunden später rollte die Droschke mit<br />

Aurel, Bianca und Gilbert nach der Stadt.<br />

35. DIE MOHRENTAVERNE.<br />

Aurel begleitete Bianca bis an ihre Wohnung. Hier<br />

empfahl er sich nochmals mit herzlichem Händedruck,<br />

bat sie wiederholt, daß sie ihm blindlings vertrauen<br />

möge, und eilte alsdann mit Gilbert nach Hause.<br />

Es war bereits zehn Uhr vorüber und noch stand ihm<br />

für die Dauer der Nacht ein neues Abenteuer bevor.<br />

Wollte er dies nicht auf einen andern Abend verschieben,<br />

so war es die höchste Zeit, sich darauf vorzubereiten.<br />

»Gilbert,« sagte der Kapitän, »suche aus meiner Garderobe<br />

die schlechteste Matrosenkleidung zusammen<br />

und lege meine Pistolen und meinen indischen Dolch

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