Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 672 — ich an einem öffentlichen Orte die Bekanntschaft eines nicht mehr jungen, aber, wie ich auf den ersten Blick bemerkte, sehr wohlhabenden Mannes. Mein forschend auf ihn gerichtetes Auge mochte ihm Verheißungen vorgespiegelt haben, an die ich selbst nicht dachte. Er knüpfte ein Gespräch mit mir an, schenkte mir Blumen und schlug mir vor, als er meine nicht eben beneidenswerthe Lage erfuhr, die Stelle einer Haushälterin bei ihm anzunehmen. Er bedürfe grade einer solchen und sei in Verlegenheit, eine Person zu finden, der er vertrauen könne. Ich gefiele ihm, und hätte ich Lust, es mit ihm und seinen kleinen Launen zu versuchen, so könnte ich gleich morgen in seinem eigenen Wagen mit ihm abreisen. »Herr M* war aus Hamburg, Kaufmann und Hagestolz. Seine Bedingungen dünkten mir sehr annehmbar, und da ich durchaus nichts zu verlieren hatte und dieser Anfang mir den vielversprechenden Eingang zu den schimmernden Palästen des Reichthums öffnen zu wollen schien, so nahm ich sie an. Drei Tage später war ich in Hamburg. »Sie können errathen, Herr Kapitän, welch’ ein Leben ich hier führte. Eine Zeit lang war Herr M* sehr zufrieden mit mir. Er überhäufte mich sogar mit nicht ausbedungenen kostbaren Geschenken, die ich aus den angedeuteten Gründen annahm. Später mußte ich mich dafür erkenntlich zeigen, wozu ich mich nach einigen heftigen innern Kämpfen denn auch entschloß.

— 673 — Ich hoffte Madame M* zu werden und gab dies sehr unverhohlen zu erkennen. Dies war nicht politisch; mein Gebieter ward von Stund’ an kälter gegen mich; ich begann ihn zu tyrannisiren, auf meine Ansprüche pochend. Dies verdroß Herrn M* und eines schönen Morgens lohnte er mich ganz ruhig ab und händigte mir außerdem eine ansehnliche Summe als Abfindungsquantum ein. Obwohl ich es jetzt mit Bitten versuchte und keine kleine List unterließ, den Beleidigten mir wieder zu versöhnen, konnte ich ihn doch nicht erweichen. Ich mußte sein Haus verlassen – »In diesem Verhältniß hatte ich so viel erworben, um nöthigen Falles allein anständig leben zu können. Dies zog ich einer neuen dienstlichen Stellung vor. Ich miethete mir ein elegantes Logis, gab mich für eine junge Wittwe aus und spielte nicht ohne äußerliches Glück die gebildete Dame. So hoffte ich am leichtesten ein Ehebündniß mit irgend einem wohlhabenden Manne, der mir gefiel, herbeiführen zu können. Allein auch diese Speculation schlug mir nicht zum Glück aus. Ich fand viele Liebhaber, keinen Geliebten, und da ich schon längst den festen moralischen Halt verloren hatte, sank ich von Monat zu Monat tiefer, bis ich mich selbst verachten mußte. Ich ging von einer Hand zur andern, lebte äußerlich gut, befand mich scheinbar wohl und trug tief verborgen die Hölle in meinem Herzen. Nach und nach wich die erkünstelte Heiterkeit von mir, die so leicht alle Männer bestach und sie mir

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ich an einem öffentlichen Orte die Bekanntschaft eines<br />

nicht mehr jungen, aber, wie ich auf den ersten<br />

Blick bemerkte, sehr wohlhabenden Mannes. Mein forschend<br />

auf ihn gerichtetes Auge mochte ihm Verheißungen<br />

vorgespiegelt haben, an die ich selbst nicht<br />

dachte. Er knüpfte ein Gespräch mit mir an, schenkte<br />

mir Blumen und schlug mir vor, als er meine nicht eben<br />

beneidenswerthe Lage erfuhr, die Stelle einer Haushälterin<br />

bei ihm anzunehmen. Er bedürfe grade einer solchen<br />

und sei in Verlegenheit, eine Person zu finden,<br />

der er vertrauen könne. Ich gefiele ihm, und hätte ich<br />

Lust, es mit ihm und seinen kleinen Launen zu versuchen,<br />

so könnte ich gleich morgen in seinem eigenen<br />

Wagen mit ihm abreisen.<br />

»Herr M* war aus Hamburg, Kaufmann und Hagestolz.<br />

Seine Bedingungen dünkten mir sehr annehmbar,<br />

und da ich durchaus nichts zu verlieren hatte und<br />

dieser Anfang mir den vielversprechenden Eingang zu<br />

den schimmernden Palästen <strong>des</strong> Reichthums öffnen zu<br />

wollen schien, so nahm ich sie an. Drei Tage später war<br />

ich in Hamburg.<br />

»Sie können errathen, Herr Kapitän, welch’ ein Leben<br />

ich hier führte. Eine Zeit lang war Herr M* sehr<br />

zufrieden mit mir. Er überhäufte mich sogar mit nicht<br />

ausbedungenen kostbaren Geschenken, die ich aus<br />

den angedeuteten Gründen annahm. Später mußte ich<br />

mich dafür erkenntlich zeigen, wozu ich mich nach einigen<br />

heftigen innern Kämpfen denn auch entschloß.

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