Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 64 — mit dem Beine einen tüchtigen Ruck gab, an die Nase, die begierig das wohlriechende Kraut einschlürfte. Klotzartig fielen die Hände wieder auf den Schooß zurück, wo sie ein buntes Taschentuch erhaschten, dessen Grundfarben nicht mehr zu erkennen waren. Nachdem auch dies seine Dienste verrichtet hatte, wußte Schlenker dem rechten Arme einen solchen Schwung zu geben, daß er sich mit der Hand bis zur Stirn erhob. Hier setzte sich der Zeigefinger über dem Auge fest und wackelte beim Sprechen fortwährend wie ein bewegliches Horn hin und her, während Schlenker jeden Satz durch eine schütternde Bewegung des Oberkörpers begleitete. Nur in solcher Stellung pflegte er längere Zwiegespräche zu führen oder ernste Ermahnungsreden an Heinrich zu halten. »Aber, Freund Heinrich,« fuhr er fort, »bildet Euch nur nicht ein, Ihr mit Eurem Briefe hättet den Wenden hieher citirt! Wenn Ihr das glaubt, so thut Ihr Sünde, sag’ ich Euch! Daß Jan Sloboda noch lebt und daß Euer Brief wirklich in seine Hände kommen muß, noch mehr, daß der alte Mann auf Eure Krakelfüße hört und spornstreichs hundert und so und so viel Meilen herkutschirt, endlich Euch gar bei dem alten Götzendieneraltar trifft und Euch flugs erkennt; das, seht Ihr, das ist Gottes allmächtige Fügung! Und weil’s justement so gekommen ist und auch kein Stäubchen anders, darum und dessentwegen glaube ich und will’s gegen eine Million behaupten, daß Eure Sache gerecht

— 65 — ist und einen gott- und menschengefälligen Fortgang haben wird.« »Natürlich, natürlich!« sagte der Schulmeister, seinen langen Rohrstock mit dem glänzenden Silberknopfe bald mit der linken bald mit der rechten Hand zwischen den Beinen drehend. »Gottgefällig ist sie zuverlässig,« erwiederte Heinrich, ein neues Fellchen aufleimend, »den Menschen wird aber, sollt’ ich meinen, ihr glücklicher Fortgang verdammt viel Herzeleid machen. Ihr könnt dann Gelegenheit haben, Freund Schlenker, Eure Gebete an den Mann oder vielmehr an den lieben Gott zu bringen, denn an Flüchen, die auf Vergebung harren, wird kein Mangel sein. Da kenne ich meine Leute zu gut!« »’s ist gar mit tausend Schrecken, was Ihr für ein gottvergessener Spötter seid!« sagte Schlenker. »Manchmal mach’ ich mir ordentlich ein Gewissen darüber, daß ich mit Euch umgehe, zumal vor dem Einschlafen, wo einem die unrechten Gedanken am ärgsten zusetzen.« »Setzt Euch lieber die Schlafmütze auf,« erwiederte der Maulwurffänger. »Das hält warm und soll ein vortreffliches Mittel sein, einen gesunden und dauernden Schlaf herbeizuführen.« »Natur, ganz Natur!« meinte Gregor. »Also heute kommt der wendische Mann, der so viel erfahren hat!« »Heute, wenn Du’s erlaubst, Bruder Schulmeister. Ich habe ihn zu mir eingeladen sammt seinem Enkel

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ist und einen gott- und menschengefälligen Fortgang<br />

haben wird.«<br />

»Natürlich, natürlich!« sagte der Schulmeister, seinen<br />

langen Rohrstock mit dem glänzenden Silberknopfe<br />

bald mit der linken bald mit der rechten Hand zwischen<br />

den Beinen drehend.<br />

»Gottgefällig ist sie zuverlässig,« erwiederte Heinrich,<br />

ein neues Fellchen aufleimend, »den Menschen<br />

wird aber, sollt’ ich meinen, ihr glücklicher Fortgang<br />

verdammt viel Herzeleid machen. Ihr könnt dann Gelegenheit<br />

haben, Freund Schlenker, Eure Gebete an den<br />

Mann <strong>oder</strong> vielmehr an den lieben Gott zu bringen,<br />

denn an Flüchen, die auf Vergebung harren, wird kein<br />

Mangel sein. Da kenne ich meine Leute zu gut!«<br />

»’s ist gar mit tausend Schrecken, was Ihr für<br />

ein gottvergessener Spötter seid!« sagte Schlenker.<br />

»Manchmal mach’ ich mir ordentlich ein Gewissen darüber,<br />

daß ich mit Euch umgehe, zumal vor dem Einschlafen,<br />

wo einem die unrechten Gedanken am ärgsten<br />

zusetzen.«<br />

»Setzt Euch lieber die Schlafmütze auf,« erwiederte<br />

der Maulwurffänger. »Das hält warm und soll ein vortreffliches<br />

Mittel sein, einen gesunden und dauernden<br />

Schlaf herbeizuführen.«<br />

»Natur, ganz Natur!« meinte Gregor. »Also heute<br />

kommt der wendische Mann, der so viel erfahren hat!«<br />

»Heute, wenn Du’s erlaubst, Bruder Schulmeister.<br />

Ich habe ihn zu mir eingeladen sammt seinem Enkel

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