Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
— 634 — wohl schönere, klingendere Redensarten. Aber, beste Freundin, Sie haben mich in einem falschen Verdacht, wenn Sie glauben, es sei dies verlassene, gemißhandelte schöne Kind die Ursache, welche mir die Gedanken wie ein Wirbelwind rastlos durch das Gehirn peitscht. Das arme Mädchen interessirte mich, forderte meine Menschlichkeit heraus, aber was mich so krampfhaft durchschüttert, das ist etwas viel Geringeres.« »Vergeben Sie mir als Weib ein klein wenig Neugierde? Ich wage zu fragen.« Aurel zeigte auf den kleinen Finger seiner linken Hand. »Wofür halten Sie dies?« »Ich denke für einen Wappenring, wie ihn Frauen tragen.« »Wie ihn Frauen tragen!« wiederholte der Kapitän und senkte nachdenkend das Haupt. »Finden Sie dies so wunderbar? Oder führte Ihre verewigte Mutter bei Lebzeiten nicht einen ähnlichen Ring?« »Eben das ist’s, das ist’s, was mich so tief bewegt!« rief Aurel aus. »Ich besitze den Ring meiner geliebten todten Mutter – er gleicht diesem nicht im geringsten, die Wappenzier ausgenommen – und nun muß ich solchen Fund bei solchem Manne thun! Das ist entsetzlich!« Madame Öhlers, die immer verwirrter wurde durch Aurel’s unzusammenhängende Äußerungen, bat um genauere Angabe und Aussprache, wozu sich denn
— 635 — der Kapitän nach einigen abermaligen Abschweifungen verstand. Er theilte der aufmerksamen Freundin mit, was wir bereits wissen, und verrieth ihr sogar den Ort, wo ihm weitere Auskunft von dem betrunkenen Trödler versprochen worden war. »Und dies Alles muß Schlag auf Schlag schnell nach einander geschehen! Muß geschehen fast in dem Augenblicke, wo ich einen so beunruhigenden Brief von meinem Bruder aus der Lausitz erhalte!« Da Madame Öhlers von diesem Briefe nichts wußte, fragte sie jetzt danach und Aurel theilte das Wesentliche seines Inhaltes ebenfalls der Freundin mit. »Muß dies ein einfaches Menschengehirn nicht verwirren?« sagte er, die Erzählung beendigend. »Bei Gott, ich bin rathlos, rathloser, als hätte die heftigste Sturzsee das Steuer meiner schönsten Brigg zerbrochen!« Die Wittwe überlegte einige Minuten das Vernommene, dann sagte sie mit freundlicher Ruhe: »Halten Sie die beiden Greise, welche auf Boberstein bei Ihrem Bruder mit so wunderbaren Anforderungen erschienen sind, für Betrüger?« »Anfangs lachte ich darüber, gnädige Frau, wie dies in meiner Natur liegt, seit heut’ Morgen aber, wo dieser räthselhafte Ring in meine Hände kam, nicht anders, als würfe ihn ein dunkles Verhängniß absichtsvoll vor mich hin, beunruhigt mich die Mittheilung meines Bruders. – Bedenken Sie selbst, wenn die tausend
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»Und dies Alles muß Schlag auf Schlag schnell nach<br />
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meinem Bruder aus der Lausitz erhalte!«<br />
Da Madame Öhlers von diesem Briefe nichts wußte,<br />
fragte sie jetzt danach und Aurel theilte das Wesentliche<br />
seines Inhaltes ebenfalls der Freundin mit. »Muß<br />
dies ein einfaches Menschengehirn nicht verwirren?«<br />
sagte er, die Erzählung beendigend. »Bei Gott, ich bin<br />
rathlos, rathloser, als hätte die heftigste Sturzsee das<br />
Steuer meiner schönsten Brigg zerbrochen!«<br />
<strong>Die</strong> Wittwe überlegte einige Minuten das Vernommene,<br />
dann sagte sie mit freundlicher Ruhe: »Halten<br />
Sie die beiden Greise, welche auf Boberstein bei Ihrem<br />
Bruder mit so wunderbaren Anforderungen erschienen<br />
sind, für Betrüger?«<br />
»Anfangs lachte ich darüber, gnädige Frau, wie dies<br />
in meiner Natur liegt, seit heut’ Morgen aber, wo dieser<br />
räthselhafte Ring in meine Hände kam, nicht anders,<br />
als würfe ihn ein dunkles Verhängniß absichtsvoll<br />
vor mich hin, beunruhigt mich die Mittheilung meines<br />
Bruders. – Bedenken Sie selbst, wenn die tausend