Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
— 562 — manchen Andern wahrscheinlich in große Besorgniß gestürzt haben würde, mit unerschütterlichem Gleichmuthe. Das Schreiben war lang, denn es enthielt einen gedrängten Auszug des Allerwichtigsten aus den Mittheilungen Sloboda’s und des Maulwurffängers, die Adrian als freche Betrüger und speculirende Schurken hinzustellen nicht unterließ. Größeres Gewicht hatte der umsichtige Fabrikherr auf die Hindeutung gelegt, daß von ihrem verstorbenen Vater irgendwo in der Welt natürliche Kinder noch am Leben sein sollten, oder doch sein könnten, so wie auf die vorgebliche Schenkung, welche Magnus der schönen Wendin gemacht haben sollte, um die gereizten Gemüther zu beruhigen. Zwar fügte er mehrmals hinzu, daß er die ganze Geschichte für bloße Erdichtung halte, um Geld zu erpressen, doch fordere Pflicht und brüderliche Liebe, den fernen Bruder von dem Vorfalle in Kenntniß zu setzen. Auch liege er ihn dringend an, wenn er irgend etwas über Verhältnisse ihres Vaters und daraus entstandene Folgen in Erfahrung gebracht habe oder je bringen sollte, dies ihm schleunigst wissen zu lassen, damit er seine Maßregeln ergreifen und die unbequemen Dränger so schnell wie möglich beseitigen könne. Aurel faltete den Brief wieder zusammen, ließ zwei breite Strahlen dunkelblauen Rauches durch seine Nasenlöcher strömen und schlürfte die zweite Hälfte des Glases Portwein. Dann streckte er beide Beine aus, legte die Füße über einander, rückte seinen runden Hut
— 563 — so nach vorn in die Stirn, daß er sich mit dem Hinterkopfe bequem an die Wand lehnen konnte, und nahm ein Blatt der Times, in dem er mit großer Aufmerksamkeit über eine Viertelstunde las. Dann warf er es weg, bestellte ein zweites Glas Portwein, setzte sich wieder wie andere gebildete Menschen und zog nochmals den Brief aus der Tasche. »Bei Gott, ich glaube, die beiden alten Männer haben Recht!« sprach er nach einiger Zeit zu sich selbst, indem er zum zweiten Male den Brief in seine Tasche schob. »Papa war ein loser Finke, wie ich schon als Junge gehört zu haben mich erinnere, und so kann es mit dem Herumlaufen einiger natürlicher Kinder schon seine Richtigkeit haben. Pah, was thut das! Einen tüchtigen, geistreichen Kerl genirt das nicht. Verbotene Gedanken haben den meisten Reiz, zeugen von überwiegendem Geiste, warum sollte der Mann anstehen, wenn ihn die Lust dazu treibt, geschwind ’mal einen physischen Witz zu machen? Ich merke, daß ich der ächteste Sohn meines galanten Herrn Vaters bin. Alle Nationen können zur Noth auf Führung des gräflich Boberstein’schen Wappens Anspruch machen. Wer sich darum kümmern wollte! Aber freilich die Schenkungsurkunde –? sie wäre ein dummer Spaß! Sollte sie ächt sein, so könnte sie geniren. Aber ich glaube nicht daran, mein Vater war zu klug, um, wär’s auch nur zum Scheine, so unvorsichtig zu handeln.«
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manchen Andern wahrscheinlich in große Besorgniß<br />
gestürzt haben würde, mit unerschütterlichem Gleichmuthe.<br />
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gedrängten Auszug <strong>des</strong> Allerwichtigsten aus den Mittheilungen<br />
Sloboda’s und <strong>des</strong> Maulwurffängers, die<br />
Adrian als freche Betrüger und speculirende Schurken<br />
hinzustellen nicht unterließ. Größeres Gewicht hatte<br />
der umsichtige Fabrikherr auf die Hindeutung gelegt,<br />
daß von ihrem verstorbenen Vater irgendwo in<br />
der Welt natürliche Kinder noch am Leben sein sollten,<br />
<strong>oder</strong> doch sein könnten, so wie auf die vorgebliche<br />
Schenkung, welche Magnus der schönen Wendin<br />
gemacht haben sollte, um die gereizten Gemüther zu<br />
beruhigen. Zwar fügte er mehrmals hinzu, daß er die<br />
ganze Geschichte für bloße Erdichtung halte, um Geld<br />
zu erpressen, doch fordere Pflicht und brüderliche Liebe,<br />
den fernen Bruder von dem Vorfalle in Kenntniß zu<br />
setzen. Auch liege er ihn dringend an, wenn er irgend<br />
etwas über Verhältnisse ihres Vaters und daraus entstandene<br />
Folgen in Erfahrung gebracht habe <strong>oder</strong> je<br />
bringen sollte, dies ihm schleunigst wissen zu lassen,<br />
damit er seine Maßregeln ergreifen und die unbequemen<br />
Dränger so schnell wie möglich beseitigen könne.<br />
Aurel faltete den Brief wieder zusammen, ließ zwei<br />
breite Strahlen dunkelblauen Rauches durch seine Nasenlöcher<br />
strömen und schlürfte die zweite Hälfte <strong>des</strong><br />
Glases Portwein. Dann streckte er beide Beine aus, legte<br />
die Füße über einander, rückte seinen runden Hut