Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
— 554 — Herr alltäglich hier vorüber spazieren, so soll es Ihnen nie an einem annehmbaren Sträußchen gebrechen.« Ein abermaliger Knicks begleitete diese mit scherzhafter Grazie gesprochenen Worte, worauf Dörte auf einige andere Vorübergehende zutrat und mit gleicher Bitte und Zumuthung ihre Sträußchen ihnen entgegenhielt. »Nun also auf Wiedersehen, schön Dörtchen!« sagte der Kapitän, indem er der Vierländerin verstohlen eine Kußhand zuwarf. Den süßen Duft des Straußes in langen Zügen einschlürfend, ging er dann weiter nach dem Jungfernstiege. »Das Mädchen muß ich genauer kennen lernen,« sprach er zu sich selbst. »Ich muß erfahren, wo sie wohnt, wer ihre Ältern sind, ob sie Geschwister hat und was sie in Zukunft zu machen gedenkt? Es sind doch reizende Geschöpfe diese Vierländerinnen – schlank, voll, zart und feurig, aber zurückhaltend wie der Teufel. Für ein einziges solches Naturkind lass’ ich Hundert unserer kokettirenden Gesellschaftsdamen sitzen. Und kurz und gut, die Dörte muß zu mir kommen oder –« »Sie entschuldigen, Herr am Stein,« unterbrach eine rauhe Stimme den Gang seiner Gedanken, »ich habe Ihnen einen Brief zu überreichen. Da Sie mir grade begegnen, erlaube ich mir, Sie einen Augenblick aufzuhalten. Sie bemerken, das Schreiben ist empfohlen!«
— 555 — Es war der Briefträger, der den in seinen schönsten Gedanken schwelgenden Kapitän auf so prosaische Weise störte. »Schon gut,« sagte dieser, den Brief annehmend. »Zahlung erfolgt, wenn Sie wiederkommen.« Der Briefträger ging ärgerlich grüßend vorüber, der Kapitän aber steckte den Brief gelassen in die Brusttasche seiner Jacke und trat, immer den duftenden Strauß an Lippe und Nase drückend, in den Alsterpavillon. Hier wimmelte es von Gästen, die an kleinen Tischen sitzend Zeitungen lasen, Kaffee, Thee oder Wein tranken, und Cigarren rauchten. Eine Menge junger Leute standen in der Mitte des Pavillons um das Billard und spielten mit großer Beharrlichkeit Poule. Der Kapitän setzte sich in eine Ecke des geräumigen Locals, bestellte ein Glas Portwein, ließ sich vom Kellner Feuer bringen und brannte sich eine köstlich duftende Havannahcigarre an. Erst als er Wein und Cigarre geprüft hatte und Beide vortrefflich fand, holte er den Brief aus der Tasche und erbrach ihn. Unsere Leser lernen in diesem Kapitän einen jüngeren Bruder des Grafen Adrian von Boberstein kennen, und es wird jetzt nöthig sein, über diesen in unserer Geschichte neu auftretenden Charakter, der später eine wichtige Rolle darin übernimmt, einige Nachrichten einfließen zu lassen.
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nie an einem annehmbaren Sträußchen gebrechen.«<br />
Ein abermaliger Knicks begleitete diese mit scherzhafter<br />
Grazie gesprochenen Worte, worauf Dörte auf<br />
einige andere Vorübergehende zutrat und mit gleicher<br />
Bitte und Zumuthung ihre Sträußchen ihnen entgegenhielt.<br />
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eine Kußhand zuwarf. Den süßen Duft <strong>des</strong> Straußes<br />
in langen Zügen einschlürfend, ging er dann weiter<br />
nach dem Jungfernstiege. »Das Mädchen muß ich genauer<br />
kennen lernen,« sprach er zu sich selbst. »Ich<br />
muß erfahren, wo sie wohnt, wer ihre Ältern sind, ob<br />
sie Geschwister hat und was sie in Zukunft zu machen<br />
gedenkt? Es sind doch reizende Geschöpfe diese Vierländerinnen<br />
– schlank, voll, zart und feurig, aber zurückhaltend<br />
wie der Teufel. Für ein einziges solches<br />
Naturkind lass’ ich Hundert unserer kokettirenden Gesellschaftsdamen<br />
sitzen. Und kurz und gut, die Dörte<br />
muß zu mir kommen <strong>oder</strong> –«<br />
»Sie entschuldigen, Herr am Stein,« unterbrach eine<br />
rauhe Stimme den Gang seiner Gedanken, »ich habe<br />
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erlaube ich mir, Sie einen Augenblick aufzuhalten.<br />
Sie bemerken, das Schreiben ist empfohlen!«