Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
— 552 — großen dunkelblauen Augen noch freundlicher an als zuvor und wiederholte ihre Bitte, den schönsten ihrer Sträuße nach allen Seiten wendend, um seine Vorzüge in’s beste Licht zu stellen. »Wie heißt Du, mein Kind?« fragte der Kapitän. »Dörte,« erwiederte das Mädchen, ein paar Reihen der prächtigsten Zähne unter den kurzen vollen Lippen zeigend, auf denen die Sonnenfunken eines immerwährenden Lächelns flimmerten. »Was verdienst Du mit dem Blumenhandel?« fragte der Kapitän weiter, während er auch den andern drei Mädchen, die sich wieder zurückgezogen hatten und traulich neben einander an der Häuserreihe standen, um neue Käufer abzuwarten und vorübergehende junge Herren anzurufen, seine prüfende Aufmerksamkeit zu Theil werden ließ. »Gnädiger Herr,« versetzte die schöne Vierländerin, »ich brauche nicht viel und da bin ich immer zufrieden mit dem, was ich einnehme. Die jungen Herren sind immer gütig gegen mich.« »Das heißt, mein Kind?« fragte der Kapitän und faßte das Mädchen sanft am Kinn, ihr recht warm und tief in die dunkelblauflammenden Augen sehend. Dörte schlug ihn leicht auf die Hand und trat einen Schritt zurück. »Ei, sie sind artiger, wie Sie! Sie fragen nicht, sondern nehmen ein Sträußchen und geben mir dafür, was
— 553 — ihnen in die Hände kommt. Wem ich gefalle, der beschenkt mich reichlich.« Die beredte Blumenverkäuferin gefiel dem Kapitän. Er hatte es gern, wenn junge Mädchen recht ungenirt scherzten, und zog solche den schüchternen prüden Gänschen jederzeit vor, wie sie leider nur zu häufig auf den Divans der Gesellschaftssäle angetroffen werden. »Bist Du täglich hier, Dörte?« fragte er weiter, das dargebotene Sträußchen aus ihrer Hand nehmend und einen Vierschilling dafür hineinschiebend. Dörte machte einen Knicks und sagte schelmisch: »Alle Tage, wenn der gnädige Herr befehlen.« »Und wo wohnst Du?« »Wo es mir gefällt.« »Für gewöhnlich, kleiner Schelm?« »Nun hier!« erwiederte Dörte, als wundere sie sich über so curiose Fragen. »Sie sehen ja, daß die Sonne ganz prächtig auf diese Bank hier scheint und daß die Ladendächer ein Schutz gegen Wind und Regen sind.« »Und des Nachts, lustige Finke?« »Da bin ich mit meinen Gefährtinnen zusammen.« »Ich verspreche Dir täglich eine Mark, wenn Du mir, so oft Du kannst, einen recht ausgesuchten Blumenstrauß in mein Logis bringen willst,« sagte der Kapitän. »Das würde mir schaden, gnädiger Herr,« entgegnete Dörte. »Ich darf meinen Platz nicht verlassen, sonst verliere ich meine Kunden. Wollen aber der gnädige
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zuvor und wiederholte ihre Bitte, den schönsten ihrer<br />
Sträuße nach allen Seiten wendend, um seine Vorzüge<br />
in’s beste Licht zu stellen.<br />
»Wie heißt Du, mein Kind?« fragte der Kapitän.<br />
»Dörte,« erwiederte das Mädchen, ein paar Reihen<br />
der prächtigsten Zähne unter den kurzen vollen Lippen<br />
zeigend, auf denen die Sonnenfunken eines immerwährenden<br />
Lächelns flimmerten.<br />
»Was verdienst Du mit dem Blumenhandel?« fragte<br />
der Kapitän weiter, während er auch den andern drei<br />
Mädchen, die sich wieder zurückgezogen hatten und<br />
traulich neben einander an der Häuserreihe standen,<br />
um neue Käufer abzuwarten und vorübergehende junge<br />
Herren anzurufen, seine prüfende Aufmerksamkeit<br />
zu Theil werden ließ.<br />
»Gnädiger Herr,« versetzte die schöne Vierländerin,<br />
»ich brauche nicht viel und da bin ich immer zufrieden<br />
mit dem, was ich einnehme. <strong>Die</strong> jungen Herren sind<br />
immer gütig gegen mich.«<br />
»Das heißt, mein Kind?« fragte der Kapitän und faßte<br />
das Mädchen sanft am Kinn, ihr recht warm und<br />
tief in die dunkelblauflammenden Augen sehend. Dörte<br />
schlug ihn leicht auf die Hand und trat einen Schritt<br />
zurück.<br />
»Ei, sie sind artiger, wie Sie! Sie fragen nicht, sondern<br />
nehmen ein Sträußchen und geben mir dafür, was