Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

finanz.math.tugraz.at
von finanz.math.tugraz.at Mehr von diesem Publisher
26.12.2012 Aufrufe

— 534 — »Armes, kleines Ding,« sagte sie, »Du sollst gleiches Schicksal mit mir theilen.« Darauf öffnete sie den Schieber, nestelte die Kette los und ließ es geschehen, daß das niedliche Thier schnuppernd und sein Köpfchen furchtsam in den weiten Bauschen ihres Trauerkleides verbergend, auf ihre Schulter hüpfte. »Emma,« sagte sie mit einem unaussprechlichen Ausdruck von Trauer und Niedergeschlagenheit, »der Fremde von gestern hat nicht Wort gehalten und doch nannte er sich meinen Vater! Ich unglückliches, verlassenes, von Allen verstoßenes Kind!« »Kommt!« schrie Magnus mit Donnerstimme durch die sich weit öffnende Thür. »Schon brennt mehr als die Hälfte des Schlosses, die geringste Verzögerung muß uns unfehlbar einen grauenvollen Tod bringen!« Entschlossen, wie er es im Augenblick der Entscheidung stets war, schritt er auf Herta zu, umschlang sie trotz ihrer Versuche, sich ihm zu entwinden, mit beiden Armen, hob sie empor und trug sie wie ein Kind fast laufend die Wendeltreppe hinab, durch die schwarz ausgeschlagene Halle in den feuererfüllten Schloßhof. Die Leiche des Grafen auf dem stolzen Paradebett, die matt brennenden Kerzen auf den hohen silbernen Kandelabern und der rothe Glanz des Feuers, der auf den schwarzen Wänden lag und auf dem regungslosen Antlitz des Todten glitzernd spielte, machte

— 535 — einen unaussprechlichen Eindruck selbst auf den verhärteten Magnus. Allein es war nicht an der Zeit, jetzt Betrachtungen anzustellen. Die mit jeder Secunde sich verdoppelnde Gefahr drängte zu schnellster Eile. Schon hatten alle Bewohner das Schloß verlassen, selbst der alte Kastellan war geflohen. Der Letzte schritt Magnus mit der schönen Last auf seinen Armen, vor ihm her die schlanke Emma, über den von lodernden Bränden dicht besäten Schloßhof. Die Luft war erstickend heiß, von Millionen Atomen glimmender Tannennadeln erfüllt, die wie ein dichter Regen niederfielen. Dazu qualmte und wirbelte der Rauch aus der Haide in undurchdringlichen Wolken über Schloß und See und verhüllte alle Gegenstände mit demselben schmutzig rothen Gewande. Unter der Thorwölbung erwarteten ihn Utta mit einigen Dienern und Frauen. Schweigend stiegen Alle den Felsenpfad hinab zum See, aus dessen brodelndem Feuernebel verworrene Stimmen erklangen, verbunden mit dem Rauschen der Ruder, die mit gewaltigen Schlägen die Wogen theilten. Dann hörte man wieder ein entsetzliches Aufkreischen, ein sprühendes Zischen, sah die Welle in blutigem Strahle aufspritzen und den Qualm der brennenden Haide Alles wieder verhüllen. Ganz fern, weit im Walde stieg manchmal ein brüllendes Geschrei auf, als ob Tausende auf einmal zu gemeinsamem Ruf sich vereinigten. Vor diesem Geschrei erbebte Magnus; er glaubte den Jubelruf der

— 534 —<br />

»Armes, kleines Ding,« sagte sie, »Du sollst gleiches<br />

Schicksal mit mir theilen.«<br />

Darauf öffnete sie den Schieber, nestelte die Kette los<br />

und ließ es geschehen, daß das niedliche Thier schnuppernd<br />

und sein Köpfchen furchtsam in den weiten Bauschen<br />

ihres Trauerklei<strong>des</strong> verbergend, auf ihre Schulter<br />

hüpfte.<br />

»Emma,« sagte sie mit einem unaussprechlichen<br />

Ausdruck von Trauer und Niedergeschlagenheit, »der<br />

Fremde von gestern hat nicht Wort gehalten und doch<br />

nannte er sich meinen Vater! Ich unglückliches, verlassenes,<br />

von Allen verstoßenes Kind!«<br />

»Kommt!« schrie Magnus mit Donnerstimme durch<br />

die sich weit öffnende Thür. »Schon brennt mehr als<br />

die Hälfte <strong>des</strong> Schlosses, die geringste Verzögerung<br />

muß uns unfehlbar einen grauenvollen Tod bringen!«<br />

Entschlossen, wie er es im Augenblick der Entscheidung<br />

stets war, schritt er auf Herta zu, umschlang<br />

sie trotz ihrer Versuche, sich ihm zu entwinden, mit<br />

beiden Armen, hob sie empor und trug sie wie ein<br />

Kind fast laufend die Wendeltreppe hinab, durch die<br />

schwarz ausgeschlagene Halle in den feuererfüllten<br />

Schloßhof. <strong>Die</strong> Leiche <strong>des</strong> Grafen auf dem stolzen Paradebett,<br />

die matt brennenden Kerzen auf den hohen<br />

silbernen Kandelabern und der rothe Glanz <strong>des</strong> Feuers,<br />

der auf den schwarzen Wänden lag und auf dem regungslosen<br />

Antlitz <strong>des</strong> Todten glitzernd spielte, machte

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!