Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 490 — Der gerührte, väterliche Blick des Fremden und sein ergrauendes Haar machten, daß Herta diese Bitte gewährte. »Verlaß uns, Emma,« sagte sie, »und gieb Acht, daß wir nicht gestört werden.« Die Zofe entfernte sich. Lebhafter wendete sich Herta zu dem Fremden, ergriff mit beiden Händen seine Rechte und sagte innig: »Nun, edler Mann, nun reden Sie! Wer war jener Johannes?« »Ein armer, ein unglücklicher Mann!« erwiederte der Fremde. »Vor mehr als zwanzig Jahren glaubte dieser Johannes unter die glücklichsten Sterblichen zu gehören. Er war jung, hübsch, aufgeweckten, lebhaften Geistes, empfänglich für alles Schöne, ein Liebling und Verehrer Ihres Geschlechtes. Wo Heiterkeit und Frohsinn scherzten, da war er gern gesehen; wo Anmuth und Liebe duftende Blüthenkränze wanden, da versäumte er nie zu erscheinen, um ein feuriges Lied ertönen zu lassen. Johannes war kein Pedant, obwohl er sich von Geburt an als Hofmeister auf Edelhöfen seinen Unterhalt erwerben mußte. Geübt in jeder Kunst, gewandt in ritterlichem Spiel, ein eben so geschickter Fechter, Tänzer und Reiter, als ein scharfsinniger und sieghafter Kämpfer im Wortgefechte, errang er sich manchen schönen Preis, um den vornehme, reiche Grafen ihn beneideten. Er siegte auf der Rennbahn und im Gesellschaftszimmer. Frauen und Mädchen ehrten ihn mit ihrem Vertrauen, ihrer Gunst!«

— 491 — »Aber Johannes war kein leichtfertiger, gewissenloser Mann. Er unterschied streng holdes Spiel von gewichtigem Ernst. Er reizte nicht, wo er zu verlocken glauben konnte. Anstand und Sitte waren die beiden Genien, denen er auch im Rausch lebenstrunkener Stunden nie entsagte. So begünstigt, so von Glück und Liebe vereint in blendende Lebenskreise emporgehoben, kam Johannes in diese Burg. Graf Erasmus wünschte einen Hofmeister für seinen wilden Knaben Magnus, einen Mann, der Strenge mit Milde, der französischen Weltton mit deutschem Ernst, deutscher Gründlichkeit anmuthig zu verknüpfen wisse. Solcher Aufgabe war Johannes vollkommen gewachsen. Er kam nach Boberstein und nie schien Graf Erasmus mit der Wahl eines Erziehers zufriedener gewesen zu sein. Magnus ward ihm übergeben und gewöhnte sich bald an die Vorschriften seines Lehrers, der bei vorkommender Widerspänstigkeit unerbittlich streng sein konnte.« »Johannes hatte im Spätherbst seine ehrenvolle und verantwortungsreiche Stellung angetreten, und binnen einigen Monaten die wilden Auswüchse an den Launen und Einfällen seines Zöglings mit Glück verschnitten. Da kam die junge, schöne Schwester des Grafen Erasmus aus der Residenz, wo sie den Winter in der großen Welt gelebt hatte, zurück auf ihres Bruders alte Haideburg. Eugenie war ein bezauberndes Wesen. Ihre Mutter, theure Herta, läßt sich nur mit der Tochter vergleichen.«

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»Aber Johannes war kein leichtfertiger, gewissenloser<br />

Mann. Er unterschied streng hol<strong>des</strong> Spiel von gewichtigem<br />

<strong>Ernst</strong>. Er reizte nicht, wo er zu verlocken<br />

glauben konnte. Anstand und Sitte waren die beiden<br />

Genien, denen er auch im Rausch lebenstrunkener<br />

Stunden nie entsagte. So begünstigt, so von Glück<br />

und Liebe vereint in blendende Lebenskreise emporgehoben,<br />

kam Johannes in diese Burg. Graf Erasmus<br />

wünschte einen Hofmeister für seinen wilden Knaben<br />

Magnus, einen Mann, der Strenge mit Milde, der<br />

französischen Weltton mit deutschem <strong>Ernst</strong>, deutscher<br />

Gründlichkeit anmuthig zu verknüpfen wisse. Solcher<br />

Aufgabe war Johannes vollkommen gewachsen. Er<br />

kam nach Boberstein und nie schien Graf Erasmus mit<br />

der Wahl eines Erziehers zufriedener gewesen zu sein.<br />

Magnus ward ihm übergeben und gewöhnte sich bald<br />

an die Vorschriften seines Lehrers, der bei vorkommender<br />

Widerspänstigkeit unerbittlich streng sein konnte.«<br />

»Johannes hatte im Spätherbst seine ehrenvolle und<br />

verantwortungsreiche Stellung angetreten, und binnen<br />

einigen Monaten die wilden Auswüchse an den Launen<br />

und Einfällen seines Zöglings mit Glück verschnitten.<br />

Da kam die junge, schöne Schwester <strong>des</strong> Grafen<br />

Erasmus aus der Residenz, wo sie den Winter in der<br />

großen Welt gelebt hatte, zurück auf ihres Bruders alte<br />

Haideburg. Eugenie war ein bezaubern<strong>des</strong> Wesen. Ihre<br />

Mutter, theure Herta, läßt sich nur mit der Tochter<br />

vergleichen.«

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