Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 484 — untreu wirst, dann fürchte meine Rache! Dem Erben von Boberstein Reichthum und Ehre, dem Bastard der leichtgläubigen Cousine Armuth, Schande und Elend! Wähle jetzt, meine stolze Geliebte!« Herta saß erblassend, tief und schwer athmend in ihrer Epheulaube. Emma trat ein und überreichte ihr auf silbernem Teller einen Brief. Sie kannte die Hand nicht. »Von wem?« sagte sie kaum hörbar. »Ein Köhlerbube brachte ihn,« versetzte die Zofe und verließ wieder das Zimmer. Herta drehte den Brief nachdenkend in den Händen. »Darf ich gefälligst um Antwort bitten?« sagte Magnus äußerst freundlich. »Ja das dürfen Sie,« erwiederte die Gekränkte. »Ich flüchte mich an den Busen meiner Tante und wähle Armuth, Schande und Elend!« »Nehmen Sie meinen aufrichtigsten Glückwunsch zu dieser Wahl und zu dem neuen Lebenslaufe, der drei Tage nach der Bestattung meines hochseligen Herrn Vaters seinen Anfang nehmen wird. Ich empfehle mich der verehrten Cousine auf’s Angelegentlichste!« Magnus verbeugte sich und ließ die unglückliche Herta allein mit ihrem Schmerz, ihrem Haß, ihrer Verachtung. »Hat denn der Himmel keine Blitze mehr,« seufzte sie, »um solche Frevler zu strafen und die von ihnen Verfolgten zu erretten?«

— 485 — Dabei ballte das arme Mädchen ihre kleine Hand und zerbröckelte das Siegel auf dem erhaltenen Briefe. 27. DER BESUCH. Als Herta den Brief erbrach, gewahrte sie mit Verwunderung, daß sich der Verfasser desselben nicht genannt hatte. Mit gesteigerter Neugier durchflog sie das Schreiben, dessen geheimnißvoller, auf eine schreckenreiche Vergangenheit hindeutender Inhalt ihre Unruhe und Aufregung noch mehr steigerte. Der Brief lautete: »Ein Ihnen völlig unbekannter Mann, verehrtes gnädiges Fräulein, bittet um die Vergünstigung, Sie am Tage nach Empfang dieser Zeilen besuchen zu dürfen. Die Umstände und sein eigenthümliches Verhältniß zu den Besitzern des Schlosses Boberstein nöthigen ihn, diesen Besuch einen durchaus geheimen sein zu lassen. Aus diesem Grunde wird Schreiber dieses erst mit Einbruch der Nacht bei Ihnen erscheinen und zwar auf einem Wege, der Sie vielleicht mit schauderndem Entsetzen erfüllt. Kein Mensch im Schlosse außer Ihnen und, wenn Sie es wünschen, Ihre vertraute Dienerin, darf von dem nächtlichen Wanderer Kunde erhalten. Ihre Zukunft, Ihre Ruhe, Ihre Sicherheit, ja Ihr Leben hängt von Genehmigung dieser Bedingungen ab. Alles Unrecht, das man Ihnen zugefügt hat, wird durch denselben bis zu einem gewissen Grade ausgeglichen werden. – Wappnen Sie sich also mit Muth und Entschlossenheit und vertrauen Sie einem Manne vollkommen,

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Dabei ballte das arme Mädchen ihre kleine Hand<br />

und zerbröckelte das Siegel auf dem erhaltenen Briefe.<br />

27. DER BESUCH.<br />

Als Herta den Brief erbrach, gewahrte sie mit Verwunderung,<br />

daß sich der Verfasser <strong>des</strong>selben nicht genannt<br />

hatte. Mit gesteigerter Neugier durchflog sie das<br />

Schreiben, <strong>des</strong>sen geheimnißvoller, auf eine schreckenreiche<br />

Vergangenheit hindeutender Inhalt ihre Unruhe<br />

und Aufregung noch mehr steigerte. Der Brief lautete:<br />

»Ein Ihnen völlig unbekannter Mann, verehrtes gnädiges<br />

Fräulein, bittet um die Vergünstigung, Sie am<br />

Tage nach Empfang dieser Zeilen besuchen zu dürfen.<br />

<strong>Die</strong> Umstände und sein eigenthümliches Verhältniß zu<br />

den Besitzern <strong>des</strong> Schlosses Boberstein nöthigen ihn,<br />

diesen Besuch einen durchaus geheimen sein zu lassen.<br />

Aus diesem Grunde wird Schreiber dieses erst mit<br />

Einbruch der Nacht bei Ihnen erscheinen und zwar auf<br />

einem Wege, der Sie vielleicht mit schauderndem Entsetzen<br />

erfüllt. Kein Mensch im Schlosse außer Ihnen<br />

und, wenn Sie es wünschen, Ihre vertraute <strong>Die</strong>nerin,<br />

darf von dem nächtlichen Wanderer Kunde erhalten.<br />

Ihre Zukunft, Ihre Ruhe, Ihre Sicherheit, ja Ihr Leben<br />

hängt von Genehmigung dieser Bedingungen ab. Alles<br />

Unrecht, das man Ihnen zugefügt hat, wird durch denselben<br />

bis zu einem gewissen Grade ausgeglichen werden.<br />

– Wappnen Sie sich also mit Muth und Entschlossenheit<br />

und vertrauen Sie einem Manne vollkommen,

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