Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 464 — ganze Nacht theils schlaflos, theils von fürchterlichen Träumen geängstigt, zubrachte. 26. MUTTER, SOHN UND NICHTE. Unsere Leser erinnern sich, daß in Haideröschens verhängnißvoller Hochzeitsnacht die zu feierlichem Schwure niederknieenden Wenden die weithin schallenden Hufschläge des davon jagenden Grafen hörten. Magnus trieb nicht das innere Entsetzen über die eigene Schandthat von dem Schauplatze des Verbrechens, nur die Furcht, im Augenblick der Entdeckung von den zu ausgelassener Lust wie zu rasender Wuth aufgereizten Leibeigenen zerrissen zu werden, veranlaßte ihn, in größter Eile zu fliehen. Die That selbst hatte er dem strengen Rechte nach nicht zu scheuen; denn als Herr und unumschränkter Gebieter stand ihm nach uraltem Herkommen das jus primae noctis zu, und wenn er es ausübte, durch List oder Gewalt, so konnte er sicher auf den jubelndsten Beifall all’ seiner Standesgenossen rechnen. Später stiegen allerdings Zweifel in ihm auf, und als er durch genaue Erkundigungen erfahren hatte, daß Haideröschen Mutterfreuden entgegensehe, beschlich ihn ein großmüthiger Gedanke. Er dachte nicht daran, die Frucht wilder Sinnenlust und capriciöser Herrenlaune vor der Welt anzuerkennen, aber zugleich lehnte sich der Stolz des Aristokraten gegen den Zufall auf, dem es in höhnischer Ironie einfallen konnte, den Sohn

— 465 — des reichen Grafen ein langes langes Leben als Bettler durch die erbarmungslose Welt zu hetzen. Schon diese Möglichkeit, die bei nur einigem Nachdenken, bei nur mittelmäßigem Combinationstalent sich in grauenvolle Wahrscheinlichkeit verwandelte, empörte ihn. Deßhalb mußte einer so entwürdigenden Lage seines Sprößlings vorgebeugt werden. Lange war Magnus unschlüssig, was er thun wollte. Er wartete von Woche zu Woche, von Monat zu Monat. Am liebsten hätte er eine so delicate Angelegenheit mit Röschen persönlich besprochen, allein er sah wohl ein, daß er von dem Versuch, mit ihr ungesehen zu verkehren, abstehen müsse. Es war unmöglich und noch weniger rathsam, sich ohne bedeutende Bedeckung unter die Wenden zu wagen. Die Hochzeitsnacht von Sloboda’s Tochter hatte diese so harmlos heitern Menschen vollkommen umgewandelt. Sie waren still und ernst geworden. Ihre Lieder auf Feldern und Wiesen, ihre schreiende Lustigkeit in Schenke und Kretscham waren verstummt. Man hörte weder am Feierabende noch Sonntags den quäkenden Dudelsack und die schrillende Huslje. Diese auffallenden Zeichen tiefen Grams und nach Innen sich einwühlenden Unmuthes entgingen Magnus nicht. Zugleich rief er sich die Äußerungen des Maulwurffängers in Bezug auf das Vorhandensein einer Verschwörung unter den leibeigenen Wenden wieder in’s Gedächtniß. Noch glaubte er zwar nicht daran,

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ganze Nacht theils schlaflos, theils von fürchterlichen<br />

Träumen geängstigt, zubrachte.<br />

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Unsere Leser erinnern sich, daß in Haideröschens<br />

verhängnißvoller Hochzeitsnacht die zu feierlichem<br />

Schwure niederknieenden Wenden die weithin schallenden<br />

Hufschläge <strong>des</strong> davon jagenden Grafen hörten.<br />

Magnus trieb nicht das innere Entsetzen über die eigene<br />

Schandthat von dem Schauplatze <strong>des</strong> Verbrechens,<br />

nur die Furcht, im Augenblick der Entdeckung von den<br />

zu ausgelassener Lust wie zu rasender Wuth aufgereizten<br />

Leibeigenen zerrissen zu werden, veranlaßte ihn,<br />

in größter Eile zu fliehen. <strong>Die</strong> That selbst hatte er dem<br />

strengen Rechte nach nicht zu scheuen; denn als Herr<br />

und unumschränkter Gebieter stand ihm nach uraltem<br />

Herkommen das jus primae noctis zu, und wenn er es<br />

ausübte, durch List <strong>oder</strong> Gewalt, so konnte er sicher<br />

auf den jubelndsten Beifall all’ seiner Stan<strong>des</strong>genossen<br />

rechnen.<br />

Später stiegen allerdings Zweifel in ihm auf, und als<br />

er durch genaue Erkundigungen erfahren hatte, daß<br />

Haideröschen Mutterfreuden entgegensehe, beschlich<br />

ihn ein großmüthiger Gedanke. Er dachte nicht daran,<br />

die Frucht wilder Sinnenlust und capriciöser Herrenlaune<br />

vor der Welt anzuerkennen, aber zugleich lehnte<br />

sich der Stolz <strong>des</strong> Aristokraten gegen den Zufall auf,<br />

dem es in höhnischer Ironie einfallen konnte, den Sohn

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