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Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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so verhüllte sie sich den Kopf und die schönen seidenweichen<br />

goldblonden Haare, die in ein dickes Nestchen<br />

gewunden unter der Frauenhaube um verlorenes<br />

Glück und geraubte Unschuld trauerten. <strong>Die</strong> aufknospenden<br />

Lockenröschen, die ihrem Gesicht einen<br />

so eigenthümlichen Ausdruck schalkhaften Reizes gegeben<br />

hatten, waren verschwunden. Ging sie aus, so<br />

warf sie noch ein weißes Tuch über Kopf und Schulter,<br />

so daß nur das jetzt bleicher gewordene trauernde<br />

Gesicht und die schönen melancholisch tiefen Augen<br />

sichtbar blieben.<br />

Mit immer gleicher Beharrlichkeit zupfte Haideröschen<br />

die zartesten Fäden aus dem schimmernden<br />

Flachse und drehte taktmäßig ihr schnurren<strong>des</strong><br />

Rädchen, ohne <strong>des</strong> Pochens und Schütterns an den<br />

Holzwänden zu achten, welche Clemens und sein Vater<br />

mit Laub und Stroh gegen die Winterkälte verwahrten.<br />

Der schnelle Tod <strong>des</strong> Grafen Erasmus beschäftigte auch<br />

sie und über dem Unglücke Herta’s, das in wenigen<br />

Tagen zum lauten Geheimniß geworden war, vergaß<br />

sie ihr eigenes, der verehrten Herrin so ähnliches Leid.<br />

Nun begriff sie auf einmal das tiefe Verstummen, das<br />

entsetzliche Hinstarren <strong>des</strong> Fräuleins nach jener räthselhaften<br />

Nacht, ja sie wunderte sich fast, daß ein so<br />

zartes, schönes und gebildetes Wesen, wie Herta es in<br />

ihren und Aller Augen war, das Gräßliche hatte überleben<br />

können, ohne den Verstand zu verlieren.

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