Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

finanz.math.tugraz.at
von finanz.math.tugraz.at Mehr von diesem Publisher
26.12.2012 Aufrufe

— 450 — noch kein neues geliefert, weil der Vorstand vergessen hatte, anzuzeigen, daß alles Holz der Armen verbrannt sei. Der Fußboden des Gemeindehauses bestand daher gegenwärtig aus nacktem schwarzgrauen Lehm. Die Bewohner hatten große Löcher darin ausgehöhlt, um Kartoffelschalen und Spülicht hineinzugießen oder sie auch gelegentlich als Waschbecken zu gebrauchen. Auf den Stangen um den Ofen hingen graue Lumpen, die Schürzen und Kleidungsstücke vorstellen sollten. Auf dem gemeinsamen Tische summten gefräßige Fliegen um einen Teich verschütteter saurer Milch und um einige Stücke eisenharter Rinde von Schwarzbrod. Bänke und Schemel, denen die Beine fehlten, und welche, wenn man sich setzen wollte, erst aus allen Winkeln zusammen gesucht werden mußten, waren unsauber und fettig, da Niemand sich die Mühe gab, sie zu reinigen. In dieser ungesunden, ekelerregenden Wohnung lebte Nathanael und dieses Leben würde für ihn unerträglich gewesen sein, hätte ihn die Außenwelt überhaupt noch gekümmert. Die Nacht, welche seinen Geist umhüllte, verdeckte auch mit wohlthätigem Schleier das entsetzliche Elend seiner Umgebung. »Er kommt noch immer nicht,« sagte er zu Sloboda, seine abgemagerten, schweißig-kalten Finger in die Hand des Vaters legend. »Sie haben die Haiden durchsucht bis nach Schlesien, aber die Fußstapfen sind verweht von Laub und Nadeln.«

— 451 — »Wenn die rechte Zeit kommt, werden sie ihn schon finden,« erwiederte Sloboda mit schwerem Seufzer. »Warten, Geduld haben ist leider unser aller trübes Loos auf dieser unvollkommenen Erde!« »Geduld! – Ich hatte immer viel Geduld.« »Weißt Du schon von dem Todesfalle?« fragte Sloboda. Nathanael sah den Vater blöd lächelnd an, dann erwiederte er: »Es wird bald ein großes Sterben kommen – unter die Hochmüthigen. Alle Bäume trauern schon – das sieht so fürchterlich aus.« »Sie trauern um ihren Herrn, den Grafen.« »Graf? – Graf heißt Schurke. Marianne hat’s hundertmal gesagt.« »Nicht immer, Nathanael! Graf Erasmus, der nun zu seinen Vätern gegangen ist, war ein braver Mann.« Der Wahnsinnige lachte und schüttelte wiederholt den Kopf dazu. »Närrisches Volk, solche Grafen! – Kartoffeln dem Braten vorzuziehen! – Rechte Schurkenkost!« Sloboda hatte seinen Sohn noch nie in solcher Stimmung gesehen und wußte nicht, wie er sich die unverständlichen Reden deuten sollte. Um ihn auf andere Gedanken zu bringen, fragte er, ob er Lust habe, den alten Grafen auf dem Paradebette zu sehen, so wenig er selbst daran dachte, das graue Schloß zu diesem Zwecke zu besuchen.

— 450 —<br />

noch kein neues geliefert, weil der Vorstand vergessen<br />

hatte, anzuzeigen, daß alles Holz der Armen verbrannt<br />

sei. Der Fußboden <strong>des</strong> Gemeindehauses bestand daher<br />

gegenwärtig aus nacktem schwarzgrauen Lehm. <strong>Die</strong><br />

Bewohner hatten große Löcher darin ausgehöhlt, um<br />

Kartoffelschalen und Spülicht hineinzugießen <strong>oder</strong> sie<br />

auch gelegentlich als Waschbecken zu gebrauchen. Auf<br />

den Stangen um den Ofen hingen graue Lumpen, die<br />

Schürzen und Kleidungsstücke vorstellen sollten. Auf<br />

dem gemeinsamen Tische summten gefräßige Fliegen<br />

um einen Teich verschütteter saurer Milch und um einige<br />

Stücke eisenharter Rinde von Schwarzbrod. Bänke<br />

und Schemel, denen die Beine fehlten, und welche,<br />

wenn man sich setzen wollte, erst aus allen Winkeln<br />

zusammen gesucht werden mußten, waren unsauber<br />

und fettig, da Niemand sich die Mühe gab, sie zu reinigen.<br />

In dieser ungesunden, ekelerregenden Wohnung lebte<br />

Nathanael und dieses Leben würde für ihn unerträglich<br />

gewesen sein, hätte ihn die Außenwelt überhaupt<br />

noch gekümmert. <strong>Die</strong> Nacht, welche seinen Geist umhüllte,<br />

verdeckte auch mit wohlthätigem Schleier das<br />

entsetzliche Elend seiner Umgebung.<br />

»Er kommt noch immer nicht,« sagte er zu Sloboda,<br />

seine abgemagerten, schweißig-kalten Finger in die<br />

Hand <strong>des</strong> Vaters legend. »Sie haben die Haiden durchsucht<br />

bis nach Schlesien, aber die Fußstapfen sind verweht<br />

von Laub und Nadeln.«

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!