Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
— 404 — »Das geht nicht, liebes gnädiges Herzensfräulein; denn es ist, sehen Sie, noch niemals bei uns vorgekommen.« »Es muß also durchaus eine Frau sein?« »Ja, lieber Engel, und zwar eine Frau in den Jahren.« »Seid Ihr zufrieden, wenn ich meine Amme dazu herkommen lasse? Sie wird es gern thun!« Sloboda überlegte den Vorschlag und nahm ihn endlich zaudernd an. Dagegen lehnte er die Ausrichtung des Hochzeitmahles auf dem Schlosse, die Graf Erasmus nochmals in Vorschlag brachte, entschieden ab, weil es, wie er sich ausdrückte, gegen Grundsatz und Sitte seines Volkes verstoße, bei der Hochzeit das Brod Fremder in fremdem Hause zu essen. Die Zukunft lehrte ihn nur zu bald, daß ein prophetischer Geist in dem Grafen thätig gewesen und daß alles nachfolgende Unglück aus seiner Weigerung herzuleiten sei. Als der festgesetzte Tag herankam, bestand die unglückliche Herta darauf, die geliebte Braut mit eigener Hand schmücken zu dürfen. Sie ringelte ihr mit zartem Finger die glänzenden Löckchen auf der Stirn, setzte ihr die hohe Borta von schwarzem Sammet auf mit dem goldbrokatenen Deckel und der daran befestigten grünen Rautenkrone; sie legte ihr das Halsband mit bunten Perlen um, das mit silbernen Sternen geschmückte Haarband über den untern Absatz der Borta
— 405 — und knüpfte die verschiedenen vorgeschriebenen grünen Bänder in zierliche Schleifen. Ganz besondere Aufmerksamkeit empfahl das ängstliche Haideröschen ihrer sie putzenden Gebieterin bei der Befestigung der Flizur. So nennen nämlich die Wenden ein Stück feiner weißer Leinwand, welches in einer Breite von vier Zoll, in Falten gelegt und mit grüner Seide eingefaßt, über Brust, Schulter und Rücken läuft, und nebst den zwei bis drei Schnuren goldener oder silberner Schaumünzen um Brust und Hals ein nur Bräuten gestatteter Schmuck ist. Außerdem reichte Herta der kleinen Wendin ein feines weißes Tuch, das sie selbst in glücklicheren Tagen gestickt hatte. Müßten wir nicht befürchten, unsere Leser durch ausführliche Beschreibung der übrigen zahllosen und zum Theil höchst seltsamen Gebräuche bei einer wendischen Bauernhochzeit zu ermüden so würden wir noch manches Eigenthümliche hier anzuführen haben. So beschränken wir uns darauf, zu erwähnen, daß sich aus Haideröschens Geburtsorte zwei Brautjungfern einfanden, die fast eben so wie die Braut selbst gekleidet waren. Mit diesen kam natürlich auch die ganze Verwandtschaft der Sloboda, was denn ein lautes und lebendiges Treiben in den untern Räumen des alten Schlosses verursachte. Es war ein schöner, klarer und warmer Frühlingstag. Die Wipfel der schlanken Tannen wiegten sich mit leisem Rauschen in der blauen Luft und schmetternde
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denn es ist, sehen Sie, noch niemals bei uns vorgekommen.«<br />
»Es muß also durchaus eine Frau sein?«<br />
»Ja, lieber Engel, und zwar eine Frau in den Jahren.«<br />
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Sloboda überlegte den Vorschlag und nahm ihn endlich<br />
zaudernd an. Dagegen lehnte er die Ausrichtung<br />
<strong>des</strong> Hochzeitmahles auf dem Schlosse, die Graf Erasmus<br />
nochmals in Vorschlag brachte, entschieden ab,<br />
weil es, wie er sich ausdrückte, gegen Grundsatz und<br />
Sitte seines <strong>Volkes</strong> verstoße, bei der Hochzeit das Brod<br />
Fremder in fremdem Hause zu essen. <strong>Die</strong> Zukunft lehrte<br />
ihn nur zu bald, daß ein prophetischer Geist in dem<br />
Grafen thätig gewesen und daß alles nachfolgende Unglück<br />
aus seiner Weigerung herzuleiten sei.<br />
Als der festgesetzte Tag herankam, bestand die unglückliche<br />
Herta darauf, die geliebte Braut mit eigener<br />
Hand schmücken zu dürfen. Sie ringelte ihr mit<br />
zartem Finger die glänzenden Löckchen auf der Stirn,<br />
setzte ihr die hohe Borta von schwarzem Sammet auf<br />
mit dem goldbrokatenen Deckel und der daran befestigten<br />
grünen Rautenkrone; sie legte ihr das Halsband<br />
mit bunten Perlen um, das mit silbernen Sternen geschmückte<br />
Haarband über den untern Absatz der Borta