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Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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22. DER DROHBRIEF.<br />

Magnus dehnte sich mit wollüstigem Behagen auf<br />

schwellender Ottomane und las einen jener verführerischen<br />

Romane von Crebillon, die damals unter den<br />

verdorbenen höhern Ständen ihrer graziös verhüllten<br />

Unmoralität wegen eben so großen Beifall fanden, als<br />

durch den geistreichen Witz und treffenden Sarkasmus<br />

<strong>des</strong> frivolen Franzosen. In langen Pausen schlürfte der<br />

junge Graf dabei starke Chocolade aus einer großen<br />

reich vergoldeten Tasse. In diesem zwiefachen Genusse<br />

störte ihn sein vertrauter Kammerdiener, welcher mit<br />

den fein gebürsteten Sonntagskleidern <strong>des</strong> Herrn eintrat,<br />

sich jedoch in respectvoller Entfernung von dem<br />

Lesenden hielt. Nach einiger Zeit legte Magnus das<br />

Buch weg und trank den Rest seiner Chocolade.<br />

»Was willst Du, Jean?« fragte er den Kammerdiener,<br />

der bewegungslos, den Sammetrock <strong>des</strong> Gebieters auf<br />

dem Arme, im Zimmer stand.<br />

»Mit Ew. Gnaden gütiger Erlaubniß wollte ich unterthänigst<br />

melden, daß so eben zum dritten Male zur<br />

Kirche geläutet worden ist.«<br />

»Schon so spät, Jean? – Ja, dann muß ich mich beeilen.<br />

<strong>Die</strong> Zeit vergeht doch wunderbar schnell bei angenehmer,<br />

geistreicher Lectüre.«<br />

Magnus erhob sich von seinem bequemen Lager,<br />

winkte dem Kammerdiener, ihm dem Pudermantel umzuwerfen<br />

und ließ sich die Haartour in Ordnung bringen.<br />

Dabei gähnte er mehrmals.

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