Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
— 38 — auf ein längeres Verweilen der Reisenden hoffen durfte, und Sloboda konnte sich nach einiger Zeit in Pauls Begleitung unbemerkt entfernen. Auf Stegen, die ihm noch wohl bekannt waren, führte Sloboda seinen Enkel aus dem Dorfe. Ein vielspuriger Feldweg zog sich den Berg hinan, dessen Gipfel die hohe und breite Steinmasse der granitenen Burg schmückte. Links und rechts war der Berg eine gute Strecke hinauf bebaut, bis Steingeröll, Schlinggewächse und Schwarzholz das fruchttragende Erdreich verdrängten. Etwa einen Büchsenschuß von dem Todtensteine entfernt hörte der eigentliche Weg auf. An dieser Stelle übersah man das reich angebaute Land mit seinen Dörfern, Schlössern und Kirchen bis weit in die Lausitz hinein. Sloboda blieb stehen und kehrte sich um. Eine Thräne rieselte über seine gefurchten Wangen, und indem er Pauls Hand ergriff und auf die sich kreuzenden Pfade deutete, deren eine Menge nach allen Seiten liefen, sprach er: »Das ist der Ort, wo das große Unglück begann!« »Welches Unglück, Großvater?« »Das mich vertrieb, mich flüchtig und heimathlos machte und Dich unter einem fremden Volke geboren werden ließ.« »Und das meine arme Mutter nie vergessen konnte?« »Das sie nie vergessen durfte!« wiederholte Sloboda mit dumpfem Zornesgrolle.
— 39 — »Ach warum habt Ihr so oft davon gesprochen und mir doch nie gesagt, worin es bestanden hat!« »Weil es unnütz gewesen wäre! Doch jetzt Paul, ist vielleicht die Zeit gekommen, wo Du erfahren mußt, was Deine Mutter, Dein Vater, was ich und alle Diejenigen erduldet haben, die vor vierzig und mehr Jahren in diesen gesegneten Fluren lebten! Darum laß uns eilen! Dort oben unter den drohenden Granitklippen des Todtensteines wird sich das Räthsel lösen!« Mit sonderbaren Gefühlen traten die beiden Reisenden in das gelichtete Holz einen schmalen Fußsteig hinanklimmend, der durch niedriges Gestrüpp, durch Wachholderbüsche und Brombeergesträuch grade nach dem Granitfelsen führte, dessen schwarzgraue Breitseite, von Immergrün, Epheu, wildem Wein und Hopfen malerisch umrankt, wie eine ungeheure Burgmauer grade vor ihnen lag. Hie und da wucherte in dürftigem Erdreich eine Kiefer auf dem Gestein und schlang ihre gekrümmten Wurzeln, gleich goldglänzenden Schlangen, um die vorspringenden Felsen. Der Anblick des Todtensteines war imposant und staunend starrte der junge Paul die zerrissenen, wohl achtzig Fuß hohen Wände an, um die jetzt pfeifend der Nordwestwind heulte. Sloboda aber ließ ihm keine Ruhe. Schneller, als man von dem Greise erwarten konnte, schritt er nach einer tiefen Kluft, die den riesigen Granitblock in zwei ungleiche Hälften zerschneidet und den Aufgang zur freien Höhe desselben bildet. Nicht
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mir doch nie gesagt, worin es bestanden hat!«<br />
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vielleicht die Zeit gekommen, wo Du erfahren mußt,<br />
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erduldet haben, die vor vierzig und mehr Jahren<br />
in diesen gesegneten Fluren lebten! Darum laß uns eilen!<br />
Dort oben unter den drohenden Granitklippen <strong>des</strong><br />
Todtensteines wird sich das Räthsel lösen!«<br />
Mit sonderbaren Gefühlen traten die beiden Reisenden<br />
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hinanklimmend, der durch niedriges Gestrüpp,<br />
durch Wachholderbüsche und Brombeergesträuch grade<br />
nach dem Granitfelsen führte, <strong>des</strong>sen schwarzgraue<br />
Breitseite, von Immergrün, Epheu, wildem Wein und<br />
Hopfen malerisch umrankt, wie eine ungeheure Burgmauer<br />
grade vor ihnen lag. Hie und da wucherte in<br />
dürftigem Erdreich eine Kiefer auf dem Gestein und<br />
schlang ihre gekrümmten Wurzeln, gleich goldglänzenden<br />
Schlangen, um die vorspringenden Felsen. Der<br />
Anblick <strong>des</strong> Todtensteines war imposant und staunend<br />
starrte der junge Paul die zerrissenen, wohl achtzig<br />
Fuß hohen Wände an, um die jetzt pfeifend der Nordwestwind<br />
heulte. Sloboda aber ließ ihm keine Ruhe.<br />
Schneller, als man von dem Greise erwarten konnte,<br />
schritt er nach einer tiefen Kluft, die den riesigen Granitblock<br />
in zwei ungleiche Hälften zerschneidet und<br />
den Aufgang zur freien Höhe <strong>des</strong>selben bildet. Nicht