Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 380 — geschadet haben, den sie über Röschens Verurtheilung hatte?« »Darüber ist mir keine Kunde geworden,« erwiederte der Maulwurffänger, immer starr vor sich hinsehend und ohne Feuer zum Anbrennen seiner Pfeife zu begehren, die halb ausgeraucht neben den Fangdrähten lag. Gestern Vormittag rudr’ ich mich über den See, wie ich das immer selbst gethan habe, und steige den Schloßberg hinan. Ich trete in den Hof – kein Mensch läßt sich weder sehen noch hören! – Da ich weiß, daß der Herr Graf kränkelt und es nicht gern hat, wenn man so gradezu die Treppen hinanrennt, fange ich an leise vor mich hin den Reihzufinkenschlag zu pfeifen und steige die Stufen in die Halle hinauf. Des Kastellans Zimmer war leer, die Halle desgleichen. So setze ich mich auf den langen Tisch in der letztern, pfeife mein Stückchen fort und läute dabei mit den Beinen die Esel aus. Weil ich nun grade nicht gar sacht pfiff und auch zuweilen verdammt hart an die Tischbeine anschlug, ward es doch endlich lebendig und das kluge Auge Haideröschens guckte durch das Gegitter der Wendeltreppe. Sie jauchzte vor Freude, als sie mich mutterseelenallein so wunderprächtig musiciren sah, klapperte wie ein Rädchen die Treppe vollends herunter und umhalste mich, was mir recht wohl that, – weiß Gott, Sloboda, ’s that mir wohl! – Aber mir fror der Finkenschlag in der Kehle ein wie ich Dein schneeweißes Töchterchen mir näher betrachtete. Sie hatte geweint, daß sie der

— 381 — Bock noch stieß und ganze Thränenbäche sich auf ihren weißrothsammtenen Wängelein kreuzten. Ich sah sie groß an und hatte nicht wenig Lust, etwas grob zu werden, da kam sie mir zuvor und sagte: »Ach Pink-Heinrich, das Unglück! Nun geht es wohl zu Ende mit mir und all’ den Meinigen, denn wir haben keinen Schutzengel mehr!« »Gar so arg ist es noch nicht,« versetzte ieh, »denn wenn Du sonst dem Worte eines armen Mannes Glauben schenken willst, so verspricht Dir der Pink- Heinrich, was er auch schon früher gethan hat, Dich so weit sein Arm und Fuß reicht, ebenfalls zu schützen. Aber sag’ an, was giebt es?« »Fräulein Herta liegt im Sterben!« ruft schluchzend Deine Tochter. »Ohnmächtig fanden wir sie gestern auf ihrem Lager, weiß, wie neu gefallener Schnee, oder wie Lilienblätter, mit unendlich lächelndem Schmerzenszug um die zarten weichen Lippen. Als wir sie riefen, kam sie zwar bald zu sich, allein sie war krank, so krank, daß ich gar nicht weiß, wie ich’s beschreiben soll. Auch die Ärzte schüttelten den Kopf, wie sie das leichenblasse Fräulein mit den gläsernen geisterhaft schönen Augen sahen, das jede Frage hörte, aber keine beantwortete! Und so ist es mit ihr geblieben bis jetzt. Sie sitzt wieder an ihrem Fenster, füttert ihr Hänschen, drückt mir freundlich die Hände, ja küßt mich liebevoll, wenn ich ihr die nöthigen Handreichungen thue, nimmt Speise zu sich, wenn man sie ihr bringt,

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geschadet haben, den sie über Röschens Verurtheilung<br />

hatte?«<br />

»Darüber ist mir keine Kunde geworden,« erwiederte<br />

der Maulwurffänger, immer starr vor sich hinsehend<br />

und ohne Feuer zum Anbrennen seiner Pfeife zu begehren,<br />

die halb ausgeraucht neben den Fangdrähten lag.<br />

Gestern Vormittag rudr’ ich mich über den See, wie ich<br />

das immer selbst gethan habe, und steige den Schloßberg<br />

hinan. Ich trete in den Hof – kein Mensch läßt<br />

sich weder sehen noch hören! – Da ich weiß, daß der<br />

Herr Graf kränkelt und es nicht gern hat, wenn man so<br />

gradezu die Treppen hinanrennt, fange ich an leise vor<br />

mich hin den Reihzufinkenschlag zu pfeifen und steige<br />

die Stufen in die Halle hinauf. Des Kastellans Zimmer<br />

war leer, die Halle <strong>des</strong>gleichen. So setze ich mich auf<br />

den langen Tisch in der letztern, pfeife mein Stückchen<br />

fort und läute dabei mit den Beinen die Esel aus. Weil<br />

ich nun grade nicht gar sacht pfiff und auch zuweilen<br />

verdammt hart an die Tischbeine anschlug, ward<br />

es doch endlich lebendig und das kluge Auge Haideröschens<br />

guckte durch das Gegitter der Wendeltreppe.<br />

Sie jauchzte vor Freude, als sie mich mutterseelenallein<br />

so wunderprächtig musiciren sah, klapperte wie<br />

ein Rädchen die Treppe vollends herunter und umhalste<br />

mich, was mir recht wohl that, – weiß Gott, Sloboda,<br />

’s that mir wohl! – Aber mir fror der Finkenschlag in<br />

der Kehle ein wie ich Dein schneeweißes Töchterchen<br />

mir näher betrachtete. Sie hatte geweint, daß sie der

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