Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 36 — Russen schon wegen der ungewohnten Tracht des Greises und pries ihnen die wundervolle Aussicht auf den nahen Bergen, namentlich auf dem Todtensteine, mit beredter Zunge an. »Den Todtenstein, ja, den müssen Sie sehen, meine Herrschaften,« sagte er, auf einem Schemel neben den Reisenden Platz nehmend und behaglich seine Pfeife rauchend. »Das ist ein Felsen, wie es keinen mehr giebt in deutschen Landen! Die Gelehrten aus Görlitz und Dresden und andern berühmten Städten kommen blos hieher, um die alten Steine zu beschauen, und ich habe von den gelahrten Herren manch wundersames Wort vernommen, wenn sie nachher mit einander bei einem Glase Bier hier an demselbigen Tische über das Gesehene und Gefundene discurirten. Sie müssen nämlich wissen, meine Herrschaften, daß hier herum und weit in’s Land hinein, sogar bis hinauf in die Gebirge vor alten Zeiten dumme und blinde Heiden gewohnt haben, von denen die Wenden nach Löbau zu und weiterhin noch ein Überrest sind. In meiner Jugend gab’s auch ganz in der Nähe noch einzelne wendische Bauern, jetzt aber sind sie schon seit Jahren theils ausgestorben, theils weggezogen. Es hieß, sie hätten sich nicht mit den Deutschen vertragen können, was leicht sein kann, denn es ist ein hartköpfiges, abergläubisches Volk, das eine Sprache redet, wie sie kein Hund bellt! – Aber, was ich sagen wollte, die Herren Gelehrten und Bücherschreiber haben es richtig herausgebracht, daß

— 37 — diese alten Heiden auf dem Todtensteine ihre götzendienerischen Opfer gehalten, ihre Feinde geschlachtet und sie nachher mit Stumpf und Stiel verbrannt haben. Denn grausam, ach grausam war das Volk ganz abscheulich! Letzthin erst, es sind noch keine vier Wochen her, haben ein paar Gelehrte, die über acht Tage lang in den alten Klüften herumgekrochen sind und alle Spalten visitirt und genau beguckt haben, eiserne Ringe gefunden und Kettenglieder und einen steinernen Schlägel, den sie ein Opferbeil nannten, und Blutkrüge und Schüsseln und mehr solch’ Zeug, was Alles die wendischen Götzenpriester bei ihren Opferfesten brauchten. Deswegen, meine Herrschaften, weil entsetzlich viel Blut da oben vergossen worden ist, heißt der Fels auch bis auf den heutigen Tag der Todtenstein!« Nach diesen Bemerkungen, die Sloboda dankend hinnahm, erbot er sich, da es gerade Sonntag sei und er weiter nichts zu thun habe, die Reisenden, wenn sie es wünschen sollten, zu begleiten. Damit war aber dem Greise nicht gedient, weßhalb er für diese Gefälligkeit dankte unter dem Vorwande, daß er schwerlich schon heut’ dazu kommen werde, die umliegenden Berge zu besteigen, indem wichtige Geschäfte seine Zeit in Anspruch nähmen, an einem der nächsten Tage dagegen würde es ihm sehr angenehm sein, wenn er ihm einen der Gegend kundigen Führer verschaffen wolle. Der Wirth stand sogleich von seinem Vorhaben ab, da er

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Russen schon wegen der ungewohnten Tracht <strong>des</strong> Greises<br />

und pries ihnen die wundervolle Aussicht auf den<br />

nahen Bergen, namentlich auf dem Todtensteine, mit<br />

beredter Zunge an.<br />

»Den Todtenstein, ja, den müssen Sie sehen, meine<br />

Herrschaften,« sagte er, auf einem Schemel neben den<br />

Reisenden Platz nehmend und behaglich seine Pfeife<br />

rauchend. »Das ist ein Felsen, wie es keinen mehr giebt<br />

in deutschen Landen! <strong>Die</strong> Gelehrten aus Görlitz und<br />

Dresden und andern berühmten Städten kommen blos<br />

hieher, um die alten Steine zu beschauen, und ich habe<br />

von den gelahrten Herren manch wundersames Wort<br />

vernommen, wenn sie nachher mit einander bei einem<br />

Glase Bier hier an demselbigen Tische über das Gesehene<br />

und Gefundene discurirten. Sie müssen nämlich<br />

wissen, meine Herrschaften, daß hier herum und weit<br />

in’s Land hinein, sogar bis hinauf in die Gebirge vor<br />

alten Zeiten dumme und blinde Heiden gewohnt haben,<br />

von denen die Wenden nach Löbau zu und weiterhin<br />

noch ein Überrest sind. In meiner Jugend gab’s<br />

auch ganz in der Nähe noch einzelne wendische Bauern,<br />

jetzt aber sind sie schon seit Jahren theils ausgestorben,<br />

theils weggezogen. Es hieß, sie hätten sich<br />

nicht mit den Deutschen vertragen können, was leicht<br />

sein kann, denn es ist ein hartköpfiges, abergläubisches<br />

Volk, das eine Sprache redet, wie sie kein Hund bellt! –<br />

Aber, was ich sagen wollte, die Herren Gelehrten und<br />

Bücherschreiber haben es richtig herausgebracht, daß

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