Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 344 — Jedem freien Zutritt gestatten, der Dich in dieser demüthigen Lage sehen will.« Bei diesem Urtheilsspruche stieß Herta einen lauten Schrei aus und fiel entkräftet Gräfin Utta auf die Schulter. Entrüstet über ihre empfindsame Nichte, rief die stolze Frau die Zofen herbei, um die Ohnmächtige deren Pflege zu übergeben. Zugleich trat Magnus seinem Vater einen Schritt näher. »Wie,« sagte er, »eine Stunde im Stock soll die Strafe für diese freche Dirne sein, die mir den Hirnschädel mit dem gewichtigen Leuchter zerschmettern konnte? Ich protestire gegen diesen Spruch, mein Vater, im Namen aller Edlen, die sich in mir entehrt sehen. Den Pranger hat das ungehorsame Geschöpf verdient und eine Tracht Ruthenstreiche auf den entblößten Sclavenrücken unter Zusammenruf aller Leibeigenen auf dem Schloßhofe! Ich trage darauf an und erwarte, mein Vater, daß Sie meine Gründe berücksichtigen werden.« Ruhig versetzte dagegen Erasmus: »Mein Urtheilsspruch bleibt in Kraft. Ich habe ihn gefällt nach reiflicher Überlegung und wünsche, daß Du die geheimen Beweggründe, die mich dazu veranlassen, Dir selbst sagst, damit ich mich nicht genöthigt sehe, sie Dir einzeln hier vor diesen Leuten in’s Gedächtniß zu rufen. – Frohnknechte, vollzieht das Urtheil und legt die Wendin in den Stock!«

— 345 — Bleich vor Zorn und mit zitternden Lippen trat Magnus zurück. Zugleich ergriffen zwei Knechte des Grafen das schlanke Mädchen und führten es zu dem Eichenblocke, der an der Wand der Halle stand. Haideröschen folgte willig und schweigend wie ein Lamm, das man zur Schlachtbank schleppt. Nur die häufigen Thränen, die in schmalen Silberbächen über die mattrothen Wangen herabrieselten, zeugten von dem Kummer ihres Herzens, von der Schaam, die sie verzehrte. Denn im Stocke gelegen zu haben, war eine Schmach für Jeden, zumeist für ein junges Mädchen, das im Begriff stand, einem ehrlichen Burschen ihre Hand als Gattin zu reichen. Sie sah jetzt ihr ganzes kleines Glück zertrümmert, ihre Zukunft, die sie sich in rührender Genügsamkeit so freundlich ausgemalt hatte, für immer verdüstert. Kein ehrlicher Wende, glaubte sie, würde ihr jetzt einen Tanz mehr antragen, Clemens werde sie verlassen, sie fliehen, wie eine Aussätzige, und jedes Schutzes bar werde sie in die Schlingen des boshaften Blauhuts fallen, der sich, wie sie deutlich durch ihre Thränen bemerkte, an ihrem Jammer weidete. Sie mußte sich Schuhe und Strümpfe ausziehen, während die Knechte den schweren Block abhoben. Dann nöthigte man das geduldige Kind auf den kältenden Ziegelboden niederzusitzen und die zartgeformten Füße bis über die alabasterweißen Knöchel in die Löcher des Eichenpfostens zu legen, worauf die Knechte

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Jedem freien Zutritt gestatten, der Dich in dieser demüthigen<br />

Lage sehen will.«<br />

Bei diesem Urtheilsspruche stieß Herta einen lauten<br />

Schrei aus und fiel entkräftet Gräfin Utta auf die Schulter.<br />

Entrüstet über ihre empfindsame Nichte, rief die<br />

stolze Frau die Zofen herbei, um die Ohnmächtige deren<br />

Pflege zu übergeben.<br />

Zugleich trat Magnus seinem Vater einen Schritt näher.<br />

»Wie,« sagte er, »eine Stunde im Stock soll die Strafe<br />

für diese freche Dirne sein, die mir den Hirnschädel mit<br />

dem gewichtigen Leuchter zerschmettern konnte? Ich<br />

protestire gegen diesen Spruch, mein Vater, im Namen<br />

aller Edlen, die sich in mir entehrt sehen. Den Pranger<br />

hat das ungehorsame Geschöpf verdient und eine<br />

Tracht Ruthenstreiche auf den entblößten <strong>Sclaven</strong>rücken<br />

unter Zusammenruf aller Leibeigenen auf dem<br />

Schloßhofe! Ich trage darauf an und erwarte, mein Vater,<br />

daß Sie meine Gründe berücksichtigen werden.«<br />

Ruhig versetzte dagegen Erasmus: »Mein Urtheilsspruch<br />

bleibt in Kraft. Ich habe ihn gefällt nach reiflicher<br />

Überlegung und wünsche, daß Du die geheimen<br />

Beweggründe, die mich dazu veranlassen, Dir selbst<br />

sagst, damit ich mich nicht genöthigt sehe, sie Dir einzeln<br />

hier vor diesen Leuten in’s Gedächtniß zu rufen. –<br />

Frohnknechte, vollzieht das Urtheil und legt die Wendin<br />

in den Stock!«

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