Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

finanz.math.tugraz.at
von finanz.math.tugraz.at Mehr von diesem Publisher
26.12.2012 Aufrufe

— 342 — Herrn erhebt, darf nicht frei ausgehen, wenn ähnliche Verbrechen in Zukunft unterbleiben sollen. Aus keinem andern Grunde trage ich auf exemplarische Bestrafung des Mädchens an.« Erasmus ward durch das furchtsame Schweigen der Wendin in nicht geringe Verlegenheit gesetzt, da es nicht nur nicht in seiner Macht stand, Haideröschen freizusprechen, sobald sie sich selbst schuldig bekannte, sondern ihm auch alle Aussicht sich als milden Gebieter seiner Unterthanen und als strengen Richter gegen sein eigenes Haus zu zeigen, damit gänzlich abgeschnitten ward. Er hatte grade auf das Gerechtigkeitsgefühl und die Naivetät des unverdorbenen Mädchens am meisten gehofft, und darauf hin allein diesen öffentlichen Weg eingeschlagen, und nun sah er seinen wohl überlegten Plan an der Schüchternheit und Herzensgüte der Wendin scheitern. Rechnen wir noch dazu, daß ihm die Richtigkeit der Bemerkungen seines Sohnes einleuchtete, und daß er, obwohl grade, bieder und durchaus rechtlich gesinnt, keineswegs offenem Umsturze des Bestehenden und rohem Aufstande das Wort reden wollte, so blieb ihm nichts übrig, als sich den Umständen zu fügen und Haideröschen für ihr Vergehen wirklich zu bestrafen, obwohl dasselbe nur die allergerechteste Nothwehr gewesen war. »Besinne Dich wohl, Röschen,« nahm er nach einiger Zeit wieder das Wort . . . »Bist Du hart und unehrerbietig von diesem jungen Mann behandelt worden, so

— 343 — sage es mir. Es soll Dir Niemand ein Haar krümmen bei meinem gräflichen Wort!« Allein auch auf diese nochmalige dringende und in väterlich bittendem Tone an die Wendin gerichtete Aufforderung schüttelte Haideröschen den Kopf, indem sie unter rinnenden Thränen sprach: »Seine Gnaden haben mich behandelt, wie eine Magd, nicht anders, aber ich fürchtete mich vor seiner flehenden Miene, und darum schlug ich ihn.« Magnus triumphirte. Sein glänzendes Auge begegnete dem Blick seiner Mutter, die neben Herta auf der Gallerie saß und mit stolzer Verachtung auf die demüthigen Wenden hinabsah. Ein vergnügtes Lächeln ging über ihr Gesicht und grüßend erhob sie graziös die Hand mit dem Fächer, der häufig von ihr auf- und zugeklappt wurde. »Es thut mir leid, mein Kind,« versetzte Graf Erasmus nach diesem Geständnisse des geängstigten Mädchens mit sichtbarem Verdruß, »daß ich Dir eine gelinde Strafe für das gewaltthätige Benehmen gegen meinen Sohn zuerkennen muß. Deine Jugend, Deine Unerfahrenheit und die offenbar ungewohnte Lage, in welcher Du Dich befunden, mildern mein Urtheil, das nach dem Buchstaben des Gesetzes weit härter lauten würde. Meine Frohnknechte werden Dich eine Stunde in den Stock legen, diese Strafe durch Anschlag an dem Burgthore und in Deinem Geburtsorte bekannt machen und

— 342 —<br />

Herrn erhebt, darf nicht frei ausgehen, wenn ähnliche<br />

Verbrechen in Zukunft unterbleiben sollen. Aus keinem<br />

andern Grunde trage ich auf exemplarische Bestrafung<br />

<strong>des</strong> Mädchens an.«<br />

Erasmus ward durch das furchtsame Schweigen der<br />

Wendin in nicht geringe Verlegenheit gesetzt, da es<br />

nicht nur nicht in seiner Macht stand, Haideröschen<br />

freizusprechen, sobald sie sich selbst schuldig bekannte,<br />

sondern ihm auch alle Aussicht sich als milden Gebieter<br />

seiner Unterthanen und als strengen Richter gegen<br />

sein eigenes Haus zu zeigen, damit gänzlich abgeschnitten<br />

ward. Er hatte grade auf das Gerechtigkeitsgefühl<br />

und die Naivetät <strong>des</strong> unverdorbenen Mädchens<br />

am meisten gehofft, und darauf hin allein diesen öffentlichen<br />

Weg eingeschlagen, und nun sah er seinen<br />

wohl überlegten Plan an der Schüchternheit und Herzensgüte<br />

der Wendin scheitern. Rechnen wir noch dazu,<br />

daß ihm die Richtigkeit der Bemerkungen seines<br />

Sohnes einleuchtete, und daß er, obwohl grade, bieder<br />

und durchaus rechtlich gesinnt, keineswegs offenem<br />

Umsturze <strong>des</strong> Bestehenden und rohem Aufstande<br />

das Wort reden wollte, so blieb ihm nichts übrig, als<br />

sich den Umständen zu fügen und Haideröschen für<br />

ihr Vergehen wirklich zu bestrafen, obwohl dasselbe<br />

nur die allergerechteste Nothwehr gewesen war.<br />

»Besinne Dich wohl, Röschen,« nahm er nach einiger<br />

Zeit wieder das Wort . . . »Bist Du hart und unehrerbietig<br />

von diesem jungen Mann behandelt worden, so

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!