Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 336 — Verächtlich ließ Magnus seine Blicke über die drei wendischen Männer gleiten, die unter dem gothischen Portal der Burgthür stehen blieben und leise mit einander sprachen, während Haideröschen allein das Innere des Schlosses betrat. Er kleidete sich gemächlich an, schellte dem Diener und befahl das Frühstück, das er mit gutem Appetit verzehrte. Er wunderte sich, daß sein pünktlicher, strenger Vater so lange auf sich warten ließ und glaubte schon, er könne sich wohl gar anders besonnen haben, als ein Bedienter ihm den Befehl des Grafen Erasmus überbrachte, sich schleunigst in die untere Schloßhalle zu verfügen. Magnus nickte vornehm mit dem Kopfe beeilte sich aber keineswegs, dem erhaltenen Befehle pünktlich nachzukommen. – Inzwischen waren die drei Wenden, Jan Sloboda, Ehrhold und Clemens, auf Erasmus Geheiß in die erwähnte Schloßhalle gerufen worden. Diese Halle lag im Erdgeschoß rechts von der Eingangspforte. Sie war gothisch gewölbt und erhielt durch drei schmale gothische Fenster mit runden erblindeten Scheiben ihr Licht. Eine große Flügelthür von gewaltigen eichenen Pfosten schied sie von der Flur. Doch war diese Thür in der Regel geöffnet, weil aus der Halle eine aus Eichenholz geschnitzte Wendeltreppe in Form eines runden Thurmes in das erste Gestock hinaufführte und dieser Aufgang zu den Zimmern des Burgherrn näher war als auf der breiten Freitreppe von Sandsteinquadern im Flur. Die Schloßhalle war mit bunten achteckigen Kacheln

— 337 — und Ziegeln gepflastert und an den Wänden etwa drei Ellen hoch mit einer Verschaalung von Eichenholz eingefaßt, an der sich breite Bänke hinzogen. In der Mitte stand ein großer langer Tisch, ebenfalls von Eichenholz und wie für die Ewigkeit gezimmert, und der hohen Eingangsthür gegenüber sah man an der Wand einen langen über drei Fuß hohen eichenen Klotz aufgerichtet, der mehrere runde Öffnungen hatte, die etwa vier Zoll im Durchmesser halten konnten. Dieser Klotz war der »Stock«, das gewöhnliche Werkzeug, welches die ländliche Gerechtigkeitspflege bei Bestrafung leichter Vergehen damals anzuwenden pflegte, und das Vorhandensein dieses »Stockes« in der Halle bewies, daß man dieselbe in vorkommenden Fällen stets als Gerichtszimmer benutzte. An der einen Wand der Halle, den Fenstern gegenüber war eine Art Empore oder Gallerie angebracht, zu welcher eine Treppe führte. Auf dieser pflegten sich bei solchen Gelegenheiten, wo der Schloßherr den Richtern der ihm untergebenen Ortschaften feierlich seine Verordnungen und Befehle bekannt machte, die Mitglieder seines Hauses zu versammeln. Dasselbe fand bei Gerichtsverhandlungen statt und auch jetzt nahmen die alte Gräfin nebst Herta bereits ein paar Stühle mit geschnitzten hohen Holzlehnen ein, die zu diesem Behufe auf der Gallerie vorhanden waren. Der Graf selbst hatte sich von seinen Dienern in die Halle hinab tragen lassen und saß als Richter an dem

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Verächtlich ließ Magnus seine Blicke über die drei<br />

wendischen Männer gleiten, die unter dem gothischen<br />

Portal der Burgthür stehen blieben und leise mit einander<br />

sprachen, während Haideröschen allein das Innere<br />

<strong>des</strong> Schlosses betrat. Er kleidete sich gemächlich<br />

an, schellte dem <strong>Die</strong>ner und befahl das Frühstück, das<br />

er mit gutem Appetit verzehrte. Er wunderte sich, daß<br />

sein pünktlicher, strenger Vater so lange auf sich warten<br />

ließ und glaubte schon, er könne sich wohl gar anders<br />

besonnen haben, als ein Bedienter ihm den Befehl<br />

<strong>des</strong> Grafen Erasmus überbrachte, sich schleunigst<br />

in die untere Schloßhalle zu verfügen. Magnus nickte<br />

vornehm mit dem Kopfe beeilte sich aber keineswegs,<br />

dem erhaltenen Befehle pünktlich nachzukommen. –<br />

Inzwischen waren die drei Wenden, Jan Sloboda,<br />

Ehrhold und Clemens, auf Erasmus Geheiß in die erwähnte<br />

Schloßhalle gerufen worden. <strong>Die</strong>se Halle lag<br />

im Erdgeschoß rechts von der Eingangspforte. Sie war<br />

gothisch gewölbt und erhielt durch drei schmale gothische<br />

Fenster mit runden erblindeten Scheiben ihr Licht.<br />

Eine große Flügelthür von gewaltigen eichenen Pfosten<br />

schied sie von der Flur. Doch war diese Thür in der<br />

Regel geöffnet, weil aus der Halle eine aus Eichenholz<br />

geschnitzte Wendeltreppe in Form eines runden Thurmes<br />

in das erste Gestock hinaufführte und dieser Aufgang<br />

zu den Zimmern <strong>des</strong> Burgherrn näher war als auf<br />

der breiten Freitreppe von Sandsteinquadern im Flur.<br />

<strong>Die</strong> Schloßhalle war mit bunten achteckigen Kacheln

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