Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 328 — »Steh’ auf, mein Kind!« sagte Herta, der Wendin liebreich beide Hände reichend. »Umarme mich und betrachte mich wie eine Schwester. Auch mir nagt mancher Kummer am Herzen und die Bekümmerten sollen einander ja suchen, trösten und aufrichten. – Arme Kleine, wie Du zitterst! Wie Dein Herz schlägt! Bist Du allein gekommen oder hat Dich Dein Bräutigam begleitet?« Bei dem Worte »Bräutigam« erröthete Haideröschen bis an die Stirn. Sie schlug die Augen nieder und versetzte: »Wir sind noch nicht verlobt, gnädiges Fräulein, aber Clemens hat mir gesagt, daß er kein anderes Mädchen, als mich, zur Frau nehmen will.« »Gewiß, so soll es geschehen! Ist Clemens im Schlosse?« »Clemens, mein armer Vater und auch mein Pathe Ehrhold. Sie ließen sich nicht zurückhalten und warten draußen, um Ihnen für so viele unverdiente Gnade recht von Herzen zu danken.« »Das ist mir lieb, arme Kleine, denn ich glaube, wir werden ihrer in Kurzem bedürfen. Dein Widersacher ist nämlich hier erschienen und hat Dich bei seinem Vater verklagt.« »Graf Magnus?« rief Haideröschen erbleichend aus. »Ja, gutes Mädchen, er selbst. Aber fürchte Dich nicht so, er kann Dir heut’ kein Leid zufügen. Sein Vater, der gerechtigkeitliebende Graf Erasmus und Dein

— 329 — eigentlicher Gebieter, hat mir zugesagt, Dich zu schützen. Du stehst also unter seiner Obhut, und wenn Du mir offen und wahrheitsgetreu den Vorgang mit dem bösen Grafen Magnus erzählst, so kann Dir Niemand ein Haar krümmen.« »Muß ich denn meinen Todfeind sehen?« fragte Haideröschen. »Nicht blos sehen wirst Du ihn, Du mußt ihn auch als Deinen Verführer bezeichnen und genau Alles, was er Dir vorgespiegelt hat, im Beisein des alten Grafen erzählen.« »Ach Gott, das kann ich ja nicht!« »Warum nicht, mein liebes Röschen?« »Das würde ja dem Herrn Grafen zur Unehre gereichen.« »Eben deßhalb mußt Du es Wort für Wort erzählen. Der Elende soll entlarvt werden vor denen, die er beleidigt hat. Die armen Unterthanen sollen erfahren, daß er ein harter Tyrann, ein schlechter Mensch ist und daß, wenn er sich nicht bessert, ihm Niemand Gehorsam zu leisten braucht.« »Wenn er seinen stechenden Blick auf mich richtet, vermag ich nicht zu reden.« »Es wird schon gehen, gutes Röschen, nur Muth! Graf Erasmus will Dir wohl, Du bist von diesem Augenblicke an in meinen Diensten und darfst meinen Schutz in Anspruch nehmen. Mit ein wenig Selbstvertrauen wird Alles zu Deinem Gunsten sich entscheiden.«

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eigentlicher Gebieter, hat mir zugesagt, Dich zu schützen.<br />

Du stehst also unter seiner Obhut, und wenn Du<br />

mir offen und wahrheitsgetreu den Vorgang mit dem<br />

bösen Grafen Magnus erzählst, so kann Dir Niemand<br />

ein Haar krümmen.«<br />

»Muß ich denn meinen Todfeind sehen?« fragte Haideröschen.<br />

»Nicht blos sehen wirst Du ihn, Du mußt ihn auch<br />

als Deinen Verführer bezeichnen und genau Alles, was<br />

er Dir vorgespiegelt hat, im Beisein <strong>des</strong> alten Grafen<br />

erzählen.«<br />

»Ach Gott, das kann ich ja nicht!«<br />

»Warum nicht, mein liebes Röschen?«<br />

»Das würde ja dem Herrn Grafen zur Unehre gereichen.«<br />

»Eben deßhalb mußt Du es Wort für Wort erzählen.<br />

Der Elende soll entlarvt werden vor denen, die er beleidigt<br />

hat. <strong>Die</strong> armen Unterthanen sollen erfahren, daß<br />

er ein harter Tyrann, ein schlechter Mensch ist und<br />

daß, wenn er sich nicht bessert, ihm Niemand Gehorsam<br />

zu leisten braucht.«<br />

»Wenn er seinen stechenden Blick auf mich richtet,<br />

vermag ich nicht zu reden.«<br />

»Es wird schon gehen, gutes Röschen, nur Muth!<br />

Graf Erasmus will Dir wohl, Du bist von diesem Augenblicke<br />

an in meinen <strong>Die</strong>nsten und darfst meinen Schutz<br />

in Anspruch nehmen. Mit ein wenig Selbstvertrauen<br />

wird Alles zu Deinem Gunsten sich entscheiden.«

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