Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 316 — »Diese Sprache der Neuzeit, meine schöne Cousine, verstehe ich nicht. Ich sage, es befleckt unser Haus für immerwährende Zeiten, wenn die angekündigte Gerichtssitzung in der Schloßhalle stattfindet. Darum muß sie hintertrieben werden.« »Von wem?« »Von Dir und mir. Wir beiden im Bunde halten die ganze Meute ab.« »Auf mich rechne nicht! Ich kann und will nichts thun, als die gekränkte Unschuld beschützen.« »Das ist so löblich von Dir, daß ich Dich gleich dafür küssen möchte, müßte ich nicht befürchten, Du würdest Deine weißen runden Perlenzähnchen in meine Lippen schlagen, und das wäre in sofern ein Unglück, als dies nach dem Feste gegen mich zeugen würde. Darum laß uns vernünftig mit einander sprechen und uns verständigen. – Ich habe es längst gemerkt, daß sich die kleine erboste Wendin direct an Dich gewendet und Dir ein Histörchen erzählt hat, welches, die Ausschmückungen weggelassen, der Wahrheit nahe kommen mag. Du siehst, angebetete Herta, daß ich ganz ehrlich bin und mich Dir gegenüber gar nicht besser machen will, als ich in der That bin. Ja ich gestehe Dir sogar freiwillig, daß ich bei der niedlichen Wendin ein klein wenig zu weit gegangen sein mag! Ich habe sie entführt, weil sie ein so böses Gesicht machte und mir grade deswegen gefiel. Und das Satansmädchen hat mich dafür schön gezeichnet! Nun höre

— 317 — mich ganz ruhig an und urtheile, ob ich Unrecht habe? – Daß ich kein Joseph geworden bin, das mag mein Herr Vater mit der Frau Mama ausmachen. Mein Temperament gefällt sich nun einmal nicht im Entbehren, sondern im Genießen, und solche allerliebste duftende Mädchenblumen, die in stiller Haide lockend aufschießen, sind doch wahrlich nicht dazu da, daß sie von plumpen Bauern geknickt werden! Auch magst Du bedenken, daß, wenn ich in meinen Wünschen und Begierden wirklich zu tadeln sein sollte, nur Du ganz allein daran Schuld bist! Immer nur schwebt Deine zarte, schlanke, warm geschmeidige Elfengestalt vor meinen Blicken, so reizend und begehrerisch, daß ich in jedem schönen Mädchen das Schattenbild von Dir zu erblicken glaube und in Leidenschaft für sie entbrenne! Hättest Du mich erhört, süßer Engel, so säh’ ich außer Dir kein Mädchen, ich wüßte gar nicht, daß es noch Weiber gäbe, die auch schön, auch liebeverheißend sind. Seit Du mich aber verschmäht, mir sogar verboten hast, mit Dir zu sprechen, seitdem tobt und lodert eine verzehrende Flamme in meiner Brust, die Nahrung sucht und Alles, was ihr nahe kommt oder was sie erreichen kann, in Fieberwuth zu verbrennen begehrt. Habe ich also der kleinen Wendin ein Leid in sofern zugefügt, als ich sie mit Gewalt und unter heimlichen Nebengedanken entführte, so bist eigentlich Du der Anstifter dieses Unglücks und auf Dich müssen alle Folgen, die sich daraus ergeben, zurückfallen. Werde

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»<strong>Die</strong>se Sprache der Neuzeit, meine schöne Cousine,<br />

verstehe ich nicht. Ich sage, es befleckt unser Haus<br />

für immerwährende Zeiten, wenn die angekündigte<br />

Gerichtssitzung in der Schloßhalle stattfindet. Darum<br />

muß sie hintertrieben werden.«<br />

»Von wem?«<br />

»Von Dir und mir. Wir beiden im Bunde halten die<br />

ganze Meute ab.«<br />

»Auf mich rechne nicht! Ich kann und will nichts<br />

thun, als die gekränkte Unschuld beschützen.«<br />

»Das ist so löblich von Dir, daß ich Dich gleich dafür<br />

küssen möchte, müßte ich nicht befürchten, Du wür<strong>des</strong>t<br />

Deine weißen runden Perlenzähnchen in meine<br />

Lippen schlagen, und das wäre in sofern ein Unglück,<br />

als dies nach dem Feste gegen mich zeugen würde.<br />

Darum laß uns vernünftig mit einander sprechen und<br />

uns verständigen. – Ich habe es längst gemerkt, daß<br />

sich die kleine erboste Wendin direct an Dich gewendet<br />

und Dir ein Histörchen erzählt hat, welches, die Ausschmückungen<br />

weggelassen, der Wahrheit nahe kommen<br />

mag. Du siehst, angebetete Herta, daß ich ganz<br />

ehrlich bin und mich Dir gegenüber gar nicht besser<br />

machen will, als ich in der That bin. Ja ich gestehe<br />

Dir sogar freiwillig, daß ich bei der niedlichen Wendin<br />

ein klein wenig zu weit gegangen sein mag! Ich<br />

habe sie entführt, weil sie ein so böses Gesicht machte<br />

und mir grade <strong>des</strong>wegen gefiel. Und das Satansmädchen<br />

hat mich dafür schön gezeichnet! Nun höre

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