Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 306 — Worten, spricht mein lieber Schiller, der noch vor einer Stunde ein schlechter, aufrührerischer Mensch sein sollte! Jetzt lies Du nur meine Bücher, lies, so lange Du willst, ich weiß doch, daß Du mir sie selbst wiederbringen und mich obendrein noch beloben wirst!« »Der Entwurf Ihres idealen Lebens, mein Vater, hat viel Bestechendes,« erwiederte Magnus. »Offen gestanden aber ist es mir noch unklar, wie Sie die gepriesene Bildung in der rohen Masse des Volkes hervorrufen wollen? Sie verlangen doch schwerlich, daß wir selbst das Amt der Schulmeister verwalten oder als Vögte und Verwalter uns unter Knechte und Mägde mischen sollen? Ich wenigstens muß dieses Amalgamirungssystem ein für allemal verschmähen. Es ist mir persönlich nichts entsetzlicher, als eine schwielige Hand, die sich nur mit wenigen Tropfen Wasser begnügt.« »Mir aus der Seele gesprochen!« sagte die Gräfin und begann wieder ihr Fächerspiel. »Ich hätte meinen Sohn für fassungskräftiger gehalten,« entgegnete Erasmus. »Wie ich jedoch zu meinem Leidwesen sehe, gehört oder zählt er sich mit Absicht den Hohlköpfen zu, die Würde und Ehre des Adels nur im Junkerthume und all’ den äußern Dingen suchen, zu deren Erlangung weiter nichts als leidliches Geld, etwas Frechheit und ein kaltes Herz gehört.« »Verzeihen Sie, mein Vater! Haben Sie vielleicht die Absicht, den Notablen Frankreichs nachzuahmen und sich freiwillig zu Gunsten der brüllenden Menge, die

— 307 — sich Volk nennt, Ihrer Ehren, Würden, Titel und Besitzthümer zu entschlagen?« »Damit wir Deutschen nicht ebenfalls eines schönen Morgens dazu genöthigt sind, fordere ich Gerechtigkeit, Milde und Erziehung für das Volk.« »Ich möchte Ihnen gern gefällig sein und bitte deßhalb, mir die Wege zu zeigen, die wir einschlagen müssen, um das Volk, wie Sie sagen, zu uns emporzuheben.« »Wem sie das eigene Herz, die ruhige Besonnenheit nicht nennt, dem wird kein Fingerzeig eines Andern etwas frommen. Es ist so leicht, wie den Gesetzen der Natur folgen! Erhebe Dich zu der freien und allein richtigen Ansicht, jeden Menschen als Deines Gleichen zu betrachten, und Du wirst gegen Deinen geringsten Diener nicht hart, nicht launisch, nicht herrisch sein können. Die Stellung, die er durch einen bloßen Unfall Dir gegenüber einnimmt, berechtigt Dich nicht, sein Menschengefühl zu beleidigen, im Gegentheil, wir sind verpflichtet, weil er abhängig ist, ihn zu schonen und seine Schwächen mit Geduld zu tragen!« »Sehr wohl, mein Vater! Sind Sie gesonnen, diese Grundsätze unter Ihren Leibeigenen mittelst Ausruf bekannt machen zu lassen?« »Lieber Magnus!« bat die Gräfin. »Du vergißt Dich!« »Nicht doch, meine Freundin, er bleibt sich nur selbst gleich. Da ich aber nicht gesonnen bin, einen Streit über Ideen und Zeitansichten fruchtlos länger

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sich Volk nennt, Ihrer Ehren, Würden, Titel und Besitzthümer<br />

zu entschlagen?«<br />

»Damit wir Deutschen nicht ebenfalls eines schönen<br />

Morgens dazu genöthigt sind, fordere ich Gerechtigkeit,<br />

Milde und Erziehung für das Volk.«<br />

»Ich möchte Ihnen gern gefällig sein und bitte deßhalb,<br />

mir die Wege zu zeigen, die wir einschlagen müssen,<br />

um das Volk, wie Sie sagen, zu uns emporzuheben.«<br />

»Wem sie das eigene Herz, die ruhige Besonnenheit<br />

nicht nennt, dem wird kein Fingerzeig eines Andern<br />

etwas frommen. Es ist so leicht, wie den Gesetzen der<br />

Natur folgen! Erhebe Dich zu der freien und allein richtigen<br />

Ansicht, jeden Menschen als Deines Gleichen zu<br />

betrachten, und Du wirst gegen Deinen geringsten <strong>Die</strong>ner<br />

nicht hart, nicht launisch, nicht herrisch sein können.<br />

<strong>Die</strong> Stellung, die er durch einen bloßen Unfall Dir<br />

gegenüber einnimmt, berechtigt Dich nicht, sein Menschengefühl<br />

zu beleidigen, im Gegentheil, wir sind verpflichtet,<br />

weil er abhängig ist, ihn zu schonen und seine<br />

Schwächen mit Geduld zu tragen!«<br />

»Sehr wohl, mein Vater! Sind Sie gesonnen, diese<br />

Grundsätze unter Ihren Leibeigenen mittelst Ausruf bekannt<br />

machen zu lassen?«<br />

»Lieber Magnus!« bat die Gräfin. »Du vergißt Dich!«<br />

»Nicht doch, meine Freundin, er bleibt sich nur<br />

selbst gleich. Da ich aber nicht gesonnen bin, einen<br />

Streit über Ideen und Zeitansichten fruchtlos länger

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