Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes
— 2 — deren Gewässer grünen Wiesenbänder um die gelben Sandflächen winden, genügsame Menschen angesiedelt, um von Kohlenbrennerei, von Fischfang, dürftigem Ackerbau, Handarbeit und Bienenzucht kümmerlich zu leben. Ergiebiger wird der Boden der Haide an den Grenzen der Oberlausitz. Hier durchschneiden fruchtbare Thäler die rauschende Waldung, ansehnliche tiefe und bereits schiffbare Flüsse bewässern das umliegende Land und sichern den Anwohnern eine heiterere Existenz als ihren in den dürren Haideflächen versteckten Brüdern. Weiterhin gegen die Mark zu verliert sich das fruchtbare Erdreich wieder und die ganze Haide verwandelt sich in einen ungeheuren waldigen Moorbruch, den zahllose Flüßchen, Bäche, Kanäle und Teiche durchschneiden, und in welchem noch ein eigenthümliches Völkchen mit alterthümlichen Sitten still und zurückgezogen haust. Es sind die Bewohner des Spreewaldes. Durch die ermüdende Öde jener sandigen Haide schleppte sich in den letzten Tagen des Septembers 1832 ein ärmliches Fuhrwerk, dessen gebrechlicher Bauart man es ansah, daß es polnischen Juden angehören müsse. Die Räder waren theilweise ohne Schienen, eine zerlöcherte und mit hundert Flicken besetzte Plane von schmutzig grauer Leinwand war über halb zerknickte Reifen ausgespannt, um die darunter Sitzenden gegen Wind und Wetter zu schützen. In liederlichem Geschirr, an Strängen mit zahllosen Knoten und
— 3 — Troddeln, gingen drei muntere polnische Pferde, von denen zwei an die Deichsel, das dritte nach polnischer Sitte mittelst einer Kette an die Achse des Hinterrades gespannt war. Dies letztere Thier, jung und feurig, versuchte selbst in dem fußtiefen Sande häufig zu galoppiren, was ihm bei dem langsamern Schritt der beiden andern Pferde nicht recht gelingen wollte. Vorn in der sogenannten Kelle saß ein untersetzter Kerl im langen schmutzigen Rock der gemeinen polnischen Trödeljuden. Ein struppiger Bart von unsicherer Farbe bedeckte sein ganzes blaurothes Gesicht, ein vielfach eingebogener Filzhut, hie und da zerbrochen, seinen Kopf. In Ermangelung eines Stützbretes für die Füße ließ er die in starken juchtenen Stiefeln steckenden Beine zu beiden Seiten der Deichsel herabbaumeln, so daß sie, wenn die Räder im Sande tief einsanken, oft den Boden streiften. Im Innern dieses Fuhrwerks saßen ein Greis und ein Jüngling von etwa siebzehn Jahren, und auf der an der Seite des Wagens angebrachten eisernen Stiege stand ein jüdischer Knabe von etwa funfzehn Jahren und hielt sich mit beiden Händen an den Tragreifen der Plane fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Dies polnische Fuhrwerk hatte in schräger Richtung auf einem der vielen tiefen Sandwege die Haide aus der Gegend von Priebus her durchschnitten und erreichte jetzt eine hochgelegene Waldblöße, über die eine etwas besser gehaltene Landstraße führte. Links
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Troddeln, gingen drei muntere polnische Pferde, von<br />
denen zwei an die Deichsel, das dritte nach polnischer<br />
Sitte mittelst einer Kette an die Achse <strong>des</strong> Hinterra<strong>des</strong><br />
gespannt war. <strong>Die</strong>s letztere Thier, jung und feurig, versuchte<br />
selbst in dem fußtiefen Sande häufig zu galoppiren,<br />
was ihm bei dem langsamern Schritt der beiden<br />
andern Pferde nicht recht gelingen wollte.<br />
Vorn in der sogenannten Kelle saß ein untersetzter<br />
Kerl im langen schmutzigen Rock der gemeinen polnischen<br />
Trödeljuden. Ein struppiger Bart von unsicherer<br />
Farbe bedeckte sein ganzes blaurothes Gesicht, ein<br />
vielfach eingebogener Filzhut, hie und da zerbrochen,<br />
seinen Kopf. In Ermangelung eines Stützbretes für die<br />
Füße ließ er die in starken juchtenen Stiefeln steckenden<br />
Beine zu beiden Seiten der Deichsel herabbaumeln,<br />
so daß sie, wenn die Räder im Sande tief einsanken,<br />
oft den Boden streiften.<br />
Im Innern dieses Fuhrwerks saßen ein Greis und ein<br />
Jüngling von etwa siebzehn Jahren, und auf der an der<br />
Seite <strong>des</strong> Wagens angebrachten eisernen Stiege stand<br />
ein jüdischer Knabe von etwa funfzehn Jahren und<br />
hielt sich mit beiden Händen an den Tragreifen der Plane<br />
fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.<br />
<strong>Die</strong>s polnische Fuhrwerk hatte in schräger Richtung<br />
auf einem der vielen tiefen Sandwege die Haide aus<br />
der Gegend von Priebus her durchschnitten und erreichte<br />
jetzt eine hochgelegene Waldblöße, über die<br />
eine etwas besser gehaltene Landstraße führte. Links