Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 28 — Euch? Ihr seht ja bleich, wie die steinernen Männer auf den Kirchhöfen, und Eure Augen glühen wie Kohlen!« »Fürchte Dich nicht,« erwiederte der Alte, schwer aufathmend. »Ich zürne nicht, ich bin auch nicht krank, ich wußte nur nicht, daß schlafende Kinder zuweilen wachen.« »Ich darf also hoffen, meine Schwester zu sehen?« fragte Paul nochmals. »Deine Schwester! Nun ja, ja, Du hast oder hattest eine Schwester, aber ich weiß doch nicht, ob Ihr einander liebhaben würdet!« »Hat denn die selige Mutter nie etwas von ihr gehört?« »Sie war verschollen oder verloren gegangen, ehe wir auswanderten,« erwiederte ausweichend der Greis. »Das ist traurig!« sagte Paul. »Ich war immer der Meinung, jener Brief mit dem zerbrochenen Kreuz, der Euch so heftig erschütterte, sei von dieser unbekannten Schwester und ihr gelte unser Besuch, nachdem wir in Polen keine näheren Freunde mehr hatten.« »Allerdings war es jener Brief, den ich noch auf meinem Herzen trage, welcher mich zum Verkauf meines kleinen Höfchens veranlaßte. Er rührte von dem Manne her, den wir morgen aufsuchen wollen. Der Maulwurffänger war, so lange ich in meiner Heimath lebte, mein treuester, uneigennützigster Freund. Er war der Letzte, dem ich beim Abschiede die Hand drückte und der mir wiederholt die Versicherung gab, daß er nie

— 29 — aufhören würde, meiner zu gedenken und nach Kräften für Freimachung meiner Stammbrüder zu wirken. Wir versprachen uns gegenseitig, einander zu schreiben, aber die Sorgen und Mühen schwerer Jahre ließen mich dies Versprechen scheinbar vergessen. Ein einziges Mal bald nach meinem Anlauf meldete ich dem Freunde, wie es mir in der Ferne gehe, und bald kam ein ausführliches Antwortschreiben zurück, das neben manchem lustig klingenden Schwank viel Trauriges enthielt. Mir fehlte es an Zeit und Stimmung, darauf zu antworten, und so erfuhr ich auch nichts mehr von dem aufopfernden Freunde. Nur die Hälfte des Messingkreuzes, das wir beim Abschiede theilten, damit es uns als Erkennungszeichen dienen möge am Tage der Noth oder des Glücks, bewahrte ich sorgfältig auf. Der Brief des Maulwurffängers enthielt die andere Hälfte und eben dies zeigt mir an, daß er mir Eröffnungen von außerordentlicher Wichtigkeit zu machen hat.« »Habt Ihr ihm denn unsere Ankunft gemeldet?« »Wie hätte ich dies vermocht! Auch bedarf es dessen nicht! Ich kenne den Muth und die Ausdauer Heinrich’s, der nicht müde werden würde, täglich nach mir auszuschauen und die Hoffnung erst mit dem letzten Athemzuge aufzugeben. Ist er, wie der Wirth versichert, wirklich noch am Leben, so finden wir uns irgendwo zusammen, um uns fernerweit zu berathen.«

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aufhören würde, meiner zu gedenken und nach Kräften<br />

für Freimachung meiner Stammbrüder zu wirken.<br />

Wir versprachen uns gegenseitig, einander zu schreiben,<br />

aber die Sorgen und Mühen schwerer Jahre ließen<br />

mich dies Versprechen scheinbar vergessen. Ein<br />

einziges Mal bald nach meinem Anlauf meldete ich<br />

dem Freunde, wie es mir in der Ferne gehe, und bald<br />

kam ein ausführliches Antwortschreiben zurück, das<br />

neben manchem lustig klingenden Schwank viel Trauriges<br />

enthielt. Mir fehlte es an Zeit und Stimmung,<br />

darauf zu antworten, und so erfuhr ich auch nichts<br />

mehr von dem aufopfernden Freunde. Nur die Hälfte<br />

<strong>des</strong> Messingkreuzes, das wir beim Abschiede theilten,<br />

damit es uns als Erkennungszeichen dienen möge am<br />

Tage der Noth <strong>oder</strong> <strong>des</strong> Glücks, bewahrte ich sorgfältig<br />

auf. Der Brief <strong>des</strong> Maulwurffängers enthielt die andere<br />

Hälfte und eben dies zeigt mir an, daß er mir Eröffnungen<br />

von außerordentlicher Wichtigkeit zu machen<br />

hat.«<br />

»Habt Ihr ihm denn unsere Ankunft gemeldet?«<br />

»Wie hätte ich dies vermocht! Auch bedarf es <strong>des</strong>sen<br />

nicht! Ich kenne den Muth und die Ausdauer Heinrich’s,<br />

der nicht müde werden würde, täglich nach mir<br />

auszuschauen und die Hoffnung erst mit dem letzten<br />

Athemzuge aufzugeben. Ist er, wie der Wirth versichert,<br />

wirklich noch am Leben, so finden wir uns irgendwo<br />

zusammen, um uns fernerweit zu berathen.«

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