Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 276 — kennen lernte. Diesen nahm er mit der von seinem Vater streng geforderten Ergebung hin, um sich unmittelbar darauf von der zärtlichen Mutter seiner Selbstbeherrschung und anmuthigen Sitte wegen loben und in seinen Thorheiten bestärken zu hören. Nach Entwerfung dieser Silhouetten bitten wir den Leser, uns in das Zimmer des Grafen Erasmus zu begleiten. Der Graf saß in seinem auf Rollen ruhenden Lehnstuhle zwischen Kamin und Ofen. Ein mit Zobelpelz verbrämter Schlafrock von feinstem Stoff umhüllte ihn. Den edel geformten, wohl frisirten Kopf hatte er auf die rechte Hand gestützt. So hörte er mit feinem Lächeln einem Gespräche seiner Gattin zu, das diese in dem Augenblick abbrach, wo Herta mit dem Bedienten eintrat, der ein Theeservice von kostbarem meißener Porzellan in chinesischem Geschmack trug. Das junge Mädchen grüßte Oheim und Tante mit schalkhafter Vertraulichkeit und machte sich sodann, auf der Seite des Kamins Platz nehmend, mit Einschenken des Thee’s zu schaffen, dessen Bereitung die Gräfin ihr stets überließ. Seltsamerweise liebte die schroffe Aristokratin ihre Nichte über alle Maßen, obwohl sie mit ziemlicher Bestimmtheit wußte, daß Herta ganz andern Ideen nachhing als sie. Die unverkennbare Herzensgüte des jungen Mädchens, verbunden mit dankbarer Hingabe an ihr Haus, und die natürliche schwebende Grazie, die das junge Geschöpf mit weit mehr Reiz umgab als die kunst- und erziehungsgerechteste

— 277 — Tournüre je um sich verbreitet, gewann der schönen Nichte ihr Herz und ließ sie kleine Flecken, die sonst in ihrem Auge entstellenden Fehlern, ja verachtungswürdigen Verbrechen geglichen haben würden, übersehen. »Nun, meine Liebe,« sprach Erasmus, als ihm Herta die erste Tasse Thee mit freundlichem Lächeln reichte, »worüber hast Du heut’ so lange nachgedacht, daß der reine Himmel Deiner Stirn mit leichten Wolken umschleiert ist?« Herta schlug hastig die tiefen großen Augen auf und ein sanftes Roth überrieselte ihre Wangen. »Bin ich so ernst?« fragte sie schüchtern. »Nachdenkend, mit Wünschen und Ideen Dich tragend, wie ich es gern habe, doch wär’ es mir noch lieber, wenn ich Dich immer frei und froh erblickte. Deine Jugend will ich nicht von dem kleinsten Schatten getrübt wissen.« »Da mußt Du die Sonne auslöschen,« versetzte Herta schalkhaft, »denn das liebe warme Himmelslicht hat mir schon manchen Schatten in mein Zimmer geschickt und mich gar arg verfinstert.« Erasmus schlürfte bedächtig den Thee und ließ dabei mehrmals sein Auge auf dem Mädchen ruhen, das darüber beunruhigt niederblickte. »Deine scherzhafte Antwort kann mich doch nicht täuschen,« sagte er nach einigem Zögern. »Du bist nicht meine klare, seelenstille Herta, Du bist aufgeregt.«

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Tournüre je um sich verbreitet, gewann der schönen<br />

Nichte ihr Herz und ließ sie kleine Flecken, die sonst in<br />

ihrem Auge entstellenden Fehlern, ja verachtungswürdigen<br />

Verbrechen geglichen haben würden, übersehen.<br />

»Nun, meine Liebe,« sprach Erasmus, als ihm Herta<br />

die erste Tasse Thee mit freundlichem Lächeln reichte,<br />

»worüber hast Du heut’ so lange nachgedacht, daß der<br />

reine Himmel Deiner Stirn mit leichten Wolken umschleiert<br />

ist?«<br />

Herta schlug hastig die tiefen großen Augen auf und<br />

ein sanftes Roth überrieselte ihre Wangen.<br />

»Bin ich so ernst?« fragte sie schüchtern.<br />

»Nachdenkend, mit Wünschen und Ideen Dich tragend,<br />

wie ich es gern habe, doch wär’ es mir noch lieber,<br />

wenn ich Dich immer frei und froh erblickte. Deine<br />

Jugend will ich nicht von dem kleinsten Schatten getrübt<br />

wissen.«<br />

»Da mußt Du die Sonne auslöschen,« versetzte Herta<br />

schalkhaft, »denn das liebe warme Himmelslicht<br />

hat mir schon manchen Schatten in mein Zimmer geschickt<br />

und mich gar arg verfinstert.«<br />

Erasmus schlürfte bedächtig den Thee und ließ dabei<br />

mehrmals sein Auge auf dem Mädchen ruhen, das<br />

darüber beunruhigt niederblickte. »Deine scherzhafte<br />

Antwort kann mich doch nicht täuschen,« sagte er nach<br />

einigem Zögern. »Du bist nicht meine klare, seelenstille<br />

Herta, Du bist aufgeregt.«

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