Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 26 — brennt damit kein Anderer sie als sein Eigenthum ansprechen kann, so legte uns unser Herr und Gebieter diesen schimmernden Sclavenring um die freie Stirn, um uns aus allem Volk heraus zu erkennen und sein Recht auf uns geltend zu machen! Du wirst sagen, wir hätten ja nur dieses Band der Schmach wegwerfen und fliehen dürfen, um frei, um Menschen zu werden, aber das war nicht so leicht! Einmal ist der in schimpflicher Abhängigkeit geborene Mensch von Natur feig und nur im Augenblick wilder Aufreizung zu selbstständigen Thaten und Entschlüssen fähig, und sodann gab es tausend Verräther aus Furcht vor Strafe. Nie gelang es einzelner Flüchtlingen, für immer zu entkommen. Man entdeckte ihre Spur, ehe sie noch die Grenzen überschritten hatten, und dienstwillig lieferte sie ein Herr dem andern aus!« »Aber Ihr entkamt ja doch, Großvater Ihr fandet in Polen Aufnahme und ein freies Leben, warum kehrt Ihr nun dahin zurück, wo es Euch so elend erging, und noch dazu mit der Abzeichen der Knechtschaft um die Stirn?« »Ja,« sagte der Greis, »ich entkam, aber nicht allein, nicht, weil ich es überdrüssig was zu dienen, sondern in Folge eines Ereignisses wovon Du später hören sollst! – Warum ich hieher zurückkehre und das Band der Sclaverei trage? Nun, ich suche am Rande des Grabes mein Vaterland auf, um Gerechtigkeit zu fordern oder Rache zu üben! Und ich habe diesen Reif

— 27 — der Schmach und Schande bis heut’ getragen, damit er mir in jeder Minute ein ernster Mahner sein möge nicht blos an mein eigenes vergangenes Elend, sondern an die rechts- und naturwidrige Unterdrückung von tausenden meiner Brüder! Längst hätte ich zu sterben gewünscht, denn ich habe alle meine Angehörigen begraben, wäre nicht die Bitte stärker gewesen, die ich an Gott richtete, mich noch die Zeit erleben zu lassen, wo das Wort Sclaverei nur noch in der Sprache, nicht mehr in der Welt existirt! So lebe ich noch, und ich fürchte noch lange leben zu müssen, sollte der Herr der Sterne die Wünsche der Sterblichen dem Wortsinne nach erhören!« »Gewiß, Gott wird Euer Gebet erhören!« sagte Paul mit der naiven Zuversicht eines jungen Menschen, der noch geneigt ist, die Lehren der Schule ohne Bekrittelung als untrüglich hinzunehmen. »Ihr werdet dann auch Eure Enkelin, meine Schwester, wiedersehen, von der ich Euch so oft heimlich mit der Mutter sprechen hörte, wenn sie heftig weinte und keinen Trost finden konnte.« Ein letztes Aufflackern des Kaminfeuers warf bei diesen Worten helle Lichter auf den Greis. Paul erschrak, als er die entsetzten Mienen des Großvaters gewahrte, die seine Bemerkung hervorgerufen hatte. »Um Gott, Großvater!« schrie der Jüngling auf und warf sich an die breite Brust des Greises. »Was ist

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brennt damit kein Anderer sie als sein Eigenthum ansprechen<br />

kann, so legte uns unser Herr und Gebieter<br />

diesen schimmernden <strong>Sclaven</strong>ring um die freie Stirn,<br />

um uns aus allem Volk heraus zu erkennen und sein<br />

Recht auf uns geltend zu machen! Du wirst sagen, wir<br />

hätten ja nur dieses Band der Schmach wegwerfen und<br />

fliehen dürfen, um frei, um Menschen zu werden, aber<br />

das war nicht so leicht! Einmal ist der in schimpflicher<br />

Abhängigkeit geborene Mensch von Natur feig und nur<br />

im Augenblick wilder Aufreizung zu selbstständigen<br />

Thaten und Entschlüssen fähig, und sodann gab es tausend<br />

Verräther aus Furcht vor Strafe. Nie gelang es einzelner<br />

Flüchtlingen, für immer zu entkommen. Man<br />

entdeckte ihre Spur, ehe sie noch die Grenzen überschritten<br />

hatten, und dienstwillig lieferte sie ein Herr<br />

dem andern aus!«<br />

»Aber Ihr entkamt ja doch, Großvater Ihr fandet in<br />

Polen Aufnahme und ein freies Leben, warum kehrt Ihr<br />

nun dahin zurück, wo es Euch so elend erging, und<br />

noch dazu mit der Abzeichen der Knechtschaft um die<br />

Stirn?«<br />

»Ja,« sagte der Greis, »ich entkam, aber nicht allein,<br />

nicht, weil ich es überdrüssig was zu dienen, sondern<br />

in Folge eines Ereignisses wovon Du später hören<br />

sollst! – Warum ich hieher zurückkehre und das<br />

Band der Sclaverei trage? Nun, ich suche am Rande<br />

<strong>des</strong> Grabes mein Vaterland auf, um Gerechtigkeit zu<br />

fordern <strong>oder</strong> Rache zu üben! Und ich habe diesen Reif

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