Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 236 — fraß der Gedanke um sich, daß sie rechtlos, gegen die heiligen Gebote der Religion unterjocht seien, und dieser Gedanke mußte ein Selbstbewußtsein unter der an sich kräftigen Bevölkerung wecken, von dem sie früher keine Ahnung gehabt hatte. Ihm waren außerdem noch so viele geheime Mißbräuche bekannt, welche viele Herren übten und auf die nur hingedeutet werden durfte, um die Unterdrückten von der Unzufriedenheit zur Erbitterung, von dieser zu einer drohenden Stellung den Herren gegenüber aufzuregen. Der Raub der Wendin durch Magnus gab die erwünschteste Veranlassung, diese Mißbräuche nach und nach, wie es Zeit und Umstände erheischten, aufzudecken. Die bedenklichen Unruhen im Auslande waren ein vortrefflicher Anhaltepunkt, den man beliebig benutzen konnte, um den Herren zu drohen. In jedem Falle stand ein Krieg der Unterworfenen gegen die Unterdrücker in naher Aussicht, und diesen durch schmeichelndes Zureden wieder zu beseitigen, hielt Heinrich für unwürdige Feigheit. Wenn überhaupt, konnte nur auf diese Weise uraltes Unrecht aufgehoben und ausgeglichen werden. Da er gewahrte, welchen Eindruck seine unschuldig und nachlässig hingeworfenen Äußerungen selbst auf diese ungebildeten Menschen machten, ging er noch einen Schritt weiter, den mißmuthigen Voigt jetzt gar nicht beachtend. Er richtete seine Worte direct an das

— 237 — Gesinde des Edelhofes, das ihm, wie einem Propheten, gläubig zuhörte. »Ist Euch nichts zu Ohren gekommen,« sprach er, »daß sich Graf Magnus bald verheirathen will? Ich hörte in der Haide davon reden. Auf seines Vaters Schlosse, dem alten Boberstein, lebt ein schönes junges Fräulein, um das er werben soll.« »Ihr meint gewiß Herta, die Mutter der Armen,« sagte der Großknecht. »Es kann wohl sein, daß sie Herta heißt,« erwiederte der Maulwurffänger. »Ich habe mein Lebtage nicht mit ihr gesprochen. Aber ein Engel an Schönheit ist sie, davon sind meine eigenen Augen Zeuge. Hat das Gerücht Grund, so ist’s doch nicht recht, daß der gnädige Herr auch noch mit andern Weibsleuten scherzt!« »Thut er das?« fragten ein paar von den Mädchen. »Ich will nicht geradezu behaupten, daß er es thue, der Schein kann trügen, aber ein hübsches Mädchen, das ich kenne, ist bei ihm im Herrenhause.« »Hier auf dem Hofe?« sagte Marie. »Es muß doch wohl so sein, sonst hätt’ ich sie ja nicht sehen können!« Hier winkte ihm der Voigt, daß er schweigen solle, und stieß ihn verstohlen mit dem Fuße an. Heinrich aber that, als sehe und fühle er nichts.

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Gesinde <strong>des</strong> Edelhofes, das ihm, wie einem Propheten,<br />

gläubig zuhörte.<br />

»Ist Euch nichts zu Ohren gekommen,« sprach er,<br />

»daß sich Graf Magnus bald verheirathen will? Ich hörte<br />

in der Haide davon reden. Auf seines Vaters Schlosse,<br />

dem alten Boberstein, lebt ein schönes junges Fräulein,<br />

um das er werben soll.«<br />

»Ihr meint gewiß Herta, die Mutter der Armen,« sagte<br />

der Großknecht.<br />

»Es kann wohl sein, daß sie Herta heißt,« erwiederte<br />

der Maulwurffänger. »Ich habe mein Lebtage nicht mit<br />

ihr gesprochen. Aber ein Engel an Schönheit ist sie, davon<br />

sind meine eigenen Augen Zeuge. Hat das Gerücht<br />

Grund, so ist’s doch nicht recht, daß der gnädige Herr<br />

auch noch mit andern Weibsleuten scherzt!«<br />

»Thut er das?« fragten ein paar von den Mädchen.<br />

»Ich will nicht geradezu behaupten, daß er es thue,<br />

der Schein kann trügen, aber ein hübsches Mädchen,<br />

das ich kenne, ist bei ihm im Herrenhause.«<br />

»Hier auf dem Hofe?« sagte Marie.<br />

»Es muß doch wohl so sein, sonst hätt’ ich sie ja nicht<br />

sehen können!«<br />

Hier winkte ihm der Voigt, daß er schweigen solle,<br />

und stieß ihn verstohlen mit dem Fuße an. Heinrich<br />

aber that, als sehe und fühle er nichts.

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