Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 234 — wenn er nicht im Stande war, die Handtage in Zugtage verwandeln zu können. Wollte überdies der Zufall oder das Mißgeschick, daß der Herr auf seinen Gütern Brandschaden erlitt, oder daß ein Unwetter seine fahrbaren Wege zerriß oder daß ein Wasserbau nothwendig ward, oder endlich, daß es ihm einfiel, Holz schlagen zu lassen, so mußte der arme geplagte Bauer die Brandstelle räumen und neue Gebäude mit aufführen helfen! Er war außerdem verbunden, die schlechten Wege auszubessern, Steine zu einem nöthigen Wehrbau anzufahren und das geschlagene Holz einzuführen. Alle diese Dienste raubten ihm Zeit, ruinirten ihm Wagen, Geschirr und Vieh, und wenn er ermattet heim kam, trat oft die schlechte Jahreszeit ein und verhinderte ihn an tüchtiger Bestellung seines eigenen Landes. So gerieth er immer tiefer und tiefer in Elend und Armuth, versank unter dem steten Druck in Schmutz und Unwissenheit und ward eine willenlose, stupide Maschine seines launischen, im Überfluß schwelgenden Herrn. Nicht besser hatten es Gärtner und Häusler. Jener mußte drei Vierteljahre hindurch wöchentlich der Herrschaft drei Handtage und im vierten wöchentlich zwei leisten, dieser wöchentlich einen Handtag, außerdem noch zwölf Tage als Monatsdienst und während der Ärndtezeit vier Handtage. Hierzu kam noch, daß

— 235 — Söhne und Töchter aller Bauern, Gärtner und Häusler den sogenannten Hofedienst auf dem herrschaftlichen Gute oder Schlosse als Knechte und Mägde abhalten und oft mehrere Jahre unablässig gegen bloße Verköstigung, die schlecht und oft unsauber war, dienen mußten! Man kann sich demnach vorstellen, wie tief und allgemein der Eindruck war, den Heinrich’s Neuigkeiten bei allem Hofgesinde hervorbrachten! Eine neue Welt, die unbekannte Welt der sonnigen Freiheit, lag vor den Augen Aller aufgethan! Wurden die Hofedienste, wie der Maulwurffänger behauptete, abgeschafft, so war das Joch damit abgeworfen, das ursprünglich die Leibeigenschaft erzeugt hatte. Sie wurden frei, wurden ihren Herren gleich durch die Willkür, nach der sie dann über ihr Handeln verfügen konnten. War aber das Gerücht erdichtet, so war damit ein furchtbarer Feuerbrand in die Gemüther aller Leibeigenen geschleudert worden, den keine noch so milde Behandlung mehr auslöschen konnte. Die Herrschaft wandelte von Stund’ an auf einem glühenden Vulkan, der in jedem Augenblicke bersten und sie zermalmt in die Luft schleudern konnte. Der Maulwurffänger erkannte dies sehr gut und wußte genau, was er that, ohne sich vor der Hand um die Folgen zu kümmern, die seine Handlungsweise haben konnte und mußte. Der Saame der Unzufriedenheit war ausgestreut, in der Masse aller Leibeigenen

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wenn er nicht im Stande war, die Handtage in Zugtage<br />

verwandeln zu können. Wollte überdies der Zufall<br />

<strong>oder</strong> das Mißgeschick, daß der Herr auf seinen Gütern<br />

Brandschaden erlitt, <strong>oder</strong> daß ein Unwetter seine fahrbaren<br />

Wege zerriß <strong>oder</strong> daß ein Wasserbau nothwendig<br />

ward, <strong>oder</strong> endlich, daß es ihm einfiel, Holz schlagen<br />

zu lassen, so mußte der arme geplagte Bauer die<br />

Brandstelle räumen und neue Gebäude mit aufführen<br />

helfen! Er war außerdem verbunden, die schlechten<br />

Wege auszubessern, Steine zu einem nöthigen Wehrbau<br />

anzufahren und das geschlagene Holz einzuführen.<br />

Alle diese <strong>Die</strong>nste raubten ihm Zeit, ruinirten ihm<br />

Wagen, Geschirr und Vieh, und wenn er ermattet heim<br />

kam, trat oft die schlechte Jahreszeit ein und verhinderte<br />

ihn an tüchtiger Bestellung seines eigenen Lan<strong>des</strong>.<br />

So gerieth er immer tiefer und tiefer in Elend und<br />

Armuth, versank unter dem steten Druck in Schmutz<br />

und Unwissenheit und ward eine willenlose, stupide<br />

Maschine seines launischen, im Überfluß schwelgenden<br />

Herrn.<br />

Nicht besser hatten es Gärtner und Häusler. Jener<br />

mußte drei Vierteljahre hindurch wöchentlich der<br />

Herrschaft drei Handtage und im vierten wöchentlich<br />

zwei leisten, dieser wöchentlich einen Handtag, außerdem<br />

noch zwölf Tage als Monatsdienst und während<br />

der Ärndtezeit vier Handtage. Hierzu kam noch, daß

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