Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 16 — und herzerfreuend, wie die Berge, auf denen er jung geworden!« Zustimmend lächelnd nickte der Greis freundlich mit dem Kopfe. »Ihr schildert den Pink-Heinrich meiner Jugend, den wackern Helfer in jeglicher Noth, den Freund aller Armen, Nothleidenden und Bedrückten und den unversöhnlichen, aber schlauen Feind rechtloser Gewalthaber! Er lebt! Gott, der Mann lebt! Und wißt Ihr, wo ich ihn treffen, ihn sprechen kann?« Zwar kam es dem Wirth sonderbar vor, daß sein Gast, der seit langer Abwesenheit tief aus den Wäldern des zerrütteten, mit Blut gedüngten, rechtlos unterjochten Polen kam, mit solchem Jugendfeuer von einem Manne sprach, der in der bürgerlichen Gesellschaft nicht mehr Geltung hatte, als der gemeinste Tagelöhner, indeß war er doch auch zu gutmüthig und mittheilsam, als daß er einen Gast, der noch dazu von Stamm sein Landsmann war, nicht die gewünschte Auskunft hätte geben sollen. »Wenn Euch daran gelegen ist, den Maulwurffänger zu sprechen,« versetzte er nach kurzem Besinnen, »so könnte ich Euch wohl einen Ort nennen, wo Ihr ihn sicher trefft, wenn die Witterung nicht ganz zum Davonlaufen schlecht wird. Das Häuschen auf dem Todten hat er längst verkauft, weil’s ihm zu einsam gelegen war und er die Aussicht nicht mehr leiden konnte. Sie hatten ihm nämlich in den ersten zwanziger Jahren oder noch früher kaum eine Viertelstunde von seinen

— 17 — Fenstern am Saum des Waldes ein Rad aufgepflanzt und darauf die Gebeine eines Mordbrenners geflochten, der wohl ein halbes Dorf aus gemeiner Rache in Asche gelegt hatte. Das verdroß ihn und so zog er in das letzte sächsische Dorf auf der Straße von Löbau nach Reichenbach. Was ihn bewegen mochte, gerade diesen Ort zu wählen, weiß ich nicht anzugeben. Es muß aber wohl eine besondre Bewandtniß damit haben.« »Wie so?« warf der Greis fragend ein. »Ich vermuthe dies blos, weil der Mann so lange ich ihn kenne, und das mögen jetzt an die zwanzig Jahre her sein, alle Sonntage, die Gott werden läßt, und an denen nicht Hagel oder todbringendes Schneewetter die Wege ungangbar macht, in die Königshainer Berge wallfahrtet. Kennt Ihr den Todtenstein?« »Ob ich ihn kenne!« sagte der Greis, die Hände faltend und seine großen blauen Augen mit schauerlichem Ernst zum Himmel aufschlagend. »Nun seht,« fuhr der Wirth fort, den die geheimnißvolle Schweigsamkeit des alten Wenden immer mehr anzog, »heut’ ist Sonnabend, will’s Gott, und wenn Ihr morgen in der Frühe mit Eurem ungläubigen Kutscher aufbrecht und die Richtung nicht ganz verliert, auch Euer gottserbärmliches Gerüll von Wagen nicht auf unsern mitunter holprigen Wurzelwegen zerbricht, so mögt Ihr in den ersten Nachmittagsstunden am Fuße der Königshainer Berge ankommen. Macht Ihr

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Fenstern am Saum <strong>des</strong> Wal<strong>des</strong> ein Rad aufgepflanzt<br />

und darauf die Gebeine eines Mordbrenners geflochten,<br />

der wohl ein halbes Dorf aus gemeiner Rache in<br />

Asche gelegt hatte. Das verdroß ihn und so zog er in<br />

das letzte sächsische Dorf auf der Straße von Löbau<br />

nach Reichenbach. Was ihn bewegen mochte, gerade<br />

diesen Ort zu wählen, weiß ich nicht anzugeben. Es<br />

muß aber wohl eine besondre Bewandtniß damit haben.«<br />

»Wie so?« warf der Greis fragend ein.<br />

»Ich vermuthe dies blos, weil der Mann so lange ich<br />

ihn kenne, und das mögen jetzt an die zwanzig Jahre<br />

her sein, alle Sonntage, die Gott werden läßt, und an<br />

denen nicht Hagel <strong>oder</strong> todbringen<strong>des</strong> Schneewetter<br />

die Wege ungangbar macht, in die Königshainer Berge<br />

wallfahrtet. Kennt Ihr den Todtenstein?«<br />

»Ob ich ihn kenne!« sagte der Greis, die Hände faltend<br />

und seine großen blauen Augen mit schauerlichem<br />

<strong>Ernst</strong> zum Himmel aufschlagend.<br />

»Nun seht,« fuhr der Wirth fort, den die geheimnißvolle<br />

Schweigsamkeit <strong>des</strong> alten Wenden immer mehr<br />

anzog, »heut’ ist Sonnabend, will’s Gott, und wenn<br />

Ihr morgen in der Frühe mit Eurem ungläubigen Kutscher<br />

aufbrecht und die Richtung nicht ganz verliert,<br />

auch Euer gottserbärmliches Gerüll von Wagen nicht<br />

auf unsern mitunter holprigen Wurzelwegen zerbricht,<br />

so mögt Ihr in den ersten Nachmittagsstunden am<br />

Fuße der Königshainer Berge ankommen. Macht Ihr

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