Ernst Adolf Willkomm Weiße Sclaven oder Die Leiden des Volkes

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— 160 — ein heller Bach durchrieselte, machte es einen freundlichen Eindruck. Die mit Moos und Gras bewachsenen Strohdächer leuchteten im goldigen Duft der bereits niedrig stehenden Sonne. Auf den Forsten mehrerer Häufer zeigten sich Storchnester, deren Bewohner noch nicht aus ihren afrikanischen Winterquartieren zurückgekehrt waren. Die alten Mütterchen und Greise des Dorfes saßen vor den Haus- und Hofthüren, während verheirathete rüstige Frauen und Männer auf dem ungepflasterten Fahrwege, der zwischen den beiden Häuserreihen, aus welchen das Dorf bestand, hinlief, mit einander plaudernd auf- und niedergingen. Die Männer rauchten meistentheils Tabak, und als sie die vom Todaustreiben Heimkehrenden gewahr wurden, gingen sie ihnen lebhafter entgegen und begrüßten sie herzlich, eine Menge der verschiedensten Fragen an sie richtend. Das freudlose Wesen der Heimkehrenden mußte den daheim Gebliebenen alsbald auffallen, denn man war gewohnt, die Jugend, wenn sie von ihren Sonntagsausflügen in’s Thal herab zog, schon von fern heitere Feldlieder singen zu hören. Es fragten deßhalb bestürzt und unruhevoll Mehrere nach der Ursache dieser allgemeinen Betrübniß. »Vermißt Ihr denn Niemand?« entgegnete Ehrhold. »Seht Euch um! Sind das all’ unsere Kinder und Schutzbefohlenen?«

— 161 — »Wo bleibt unser Haideröschen?« rief eine ihrer Freundinnen mit bangem Herzklopfen. »Sie ist uns gewaltsam entrissen worden,« sagte Ehrhold. »Habt Ihr den Dienstbotentag vergessen?« Alle standen wie vom Schlage getroffen, während Ehrhold seine Gäste in das uns schon bekannte Wohnhaus geleitete. 10. PLÄNE. In demselben verräucherten Zimmer, wo unter allgemeiner Lust die Spinte nach altem Brauch erstochen worden war, an dem nämlichen Tische, wo Haideröschen ihre dankbaren Zuhörer mit dem Zauber ihrer Mährchen und Waldlieder entzückt hatte, saßen Ehrhold, Sloboda, Heinrich und Clemens in berathendem Gespräch. Der junge Bursch, den die überkecke That des Grafen erst völlig betäubt hatte, überließ sich jetzt wieder ganz seiner natürlichen Lebhaftigkeit und seinem heftigen sinnlichen Temperamente, das nur angewohnte Scheu vor der Gewalt eines gebietenden Herrn eine Zeitlang hatte niederdrücken können. »Gott im Himmel,« rief er aus, »warum konnte ich ruhig zusehen und das Entsetzliche geschehen lassen! Röschen wird mich verachten und dem Feiglinge für immer den Rücken kehren! Verflucht sei die Stunde, wo der Graf sie zum ersten Male erblickte!« »Laß das gut sein,« bemerkte der Maulwurffänger. »Geschehene Dinge sind nicht zu ändern. Das ist zwar

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»Wo bleibt unser Haideröschen?« rief eine ihrer<br />

Freundinnen mit bangem Herzklopfen.<br />

»Sie ist uns gewaltsam entrissen worden,« sagte Ehrhold.<br />

»Habt Ihr den <strong>Die</strong>nstbotentag vergessen?«<br />

Alle standen wie vom Schlage getroffen, während<br />

Ehrhold seine Gäste in das uns schon bekannte Wohnhaus<br />

geleitete.<br />

10. PLÄNE.<br />

In demselben verräucherten Zimmer, wo unter allgemeiner<br />

Lust die Spinte nach altem Brauch erstochen<br />

worden war, an dem nämlichen Tische, wo Haideröschen<br />

ihre dankbaren Zuhörer mit dem Zauber ihrer<br />

Mährchen und Waldlieder entzückt hatte, saßen Ehrhold,<br />

Sloboda, Heinrich und Clemens in berathendem<br />

Gespräch. Der junge Bursch, den die überkecke That<br />

<strong>des</strong> Grafen erst völlig betäubt hatte, überließ sich jetzt<br />

wieder ganz seiner natürlichen Lebhaftigkeit und seinem<br />

heftigen sinnlichen Temperamente, das nur angewohnte<br />

Scheu vor der Gewalt eines gebietenden Herrn<br />

eine Zeitlang hatte niederdrücken können.<br />

»Gott im Himmel,« rief er aus, »warum konnte ich<br />

ruhig zusehen und das Entsetzliche geschehen lassen!<br />

Röschen wird mich verachten und dem Feiglinge für<br />

immer den Rücken kehren! Verflucht sei die Stunde,<br />

wo der Graf sie zum ersten Male erblickte!«<br />

»Laß das gut sein,« bemerkte der Maulwurffänger.<br />

»Geschehene Dinge sind nicht zu ändern. Das ist zwar

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